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IBIZA Premium Erwin Bechtold – Erinnerung an einen großen Künstler

Ibiza News

Erwin Bechtold vor dem großen Bild, auf dem er dunkle Kreise gemalt hat – jeder Kreis steht für einen Menschen, der wichtig in seinem Leben und in seiner Kunst war – darunter auch Miro, mit dem er eng befreundet war. Foto; Jon Izeta

 Dieter Abholte über einen bedeutenden Künstler und einen besonderen Menschen.

Erwin Bechtold war ein Großer und Großartiger – ein großer Künstler und ein großartiger Mensch. Groß gewachsen war er mit seinen über 1,90 Meter auch. Schwarz in allen Nuancen war seine Farbe. Geradlinigkeit der Weg seines Lebens. Er sollte den väterlichen Betrieb übernehmen und die Dynastie der Druckerei in Köln weiterführen. Karriere, Vermögen, gesellschaftlicher Stand – all das war vorprogrammiert. Doch Erwin Bechtold hatte ein anderes Ziel – seine Kunst. Dafür nahm er alles auf sich: Enterbung, finanzielle Not. Oft reichte das mühsam verdiente Geld kaum dazu, Leinwand und Farbe zu kaufen. Heute hängen die Werke von Erwin Bechtold in den Museen dieser Welt. Spaniens König beglückwünschte ihn persönlich und mit Handschlag bei einer Ausstellung eines seiner großen Bilder im Museum “Es Baluard” von Palma. Vor ein paar Wochen habe ich noch ein Interview mit ihm geführt. Es war wohl das letzte in Erwins Leben. Denn gestern  erreichte uns die Nachricht von seinem Tode. Die Kunstwelt hat einen großen Künstler verloren. Wir einen ehrlichen, liebenswerten Freund. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau Christina. Ihr gilt unser aufrichtiges Beileid.

Uns bleiben die Erinnerungen, bleiben auch seine Bilder. Mir persönlich die Erinnerung an unsere letzte Begegnung im Frühjahr. Davon handelt der Bericht, den Sie hier lesen können, wenn Sie möchten.

Erwin Bechtold vor seinem Haus in Sant Carles im Osten Ibizas. Ein Klingelzug für die Glocke im Haus, ein einfaches Schild BECHTOLD… Foto: Jon Izeta

Den folgenden Bericht veröffentlichten wir in der Frühjahrs-Ausgabe von unserem Magazin IbizaHEUTE. Dieter Abholte, den mit Erwin Bechtold eine langjährige gute Freundschaft verband, hatte den Maler besucht – es war wohl das letzte Interview. Wir bringen diese Reportage jetzt hier als einen besonderen Nachruf, der dem Leben des großen Künstlers gewidmet ist und ihn zeigt, wie er bis zu seinem Tod war: voller Kraft, voller Leidenschaft für das, was er tat. Ein großer Künstler ist von uns gegangen. Doch seine Kunst wird weiterleben – in den Museen dieser Welt und in den Sammlungen von Kunstfreunden. Doch auch der Mensch Erwin Bechtold wird im Herzen und in der Erinnerung bei denen weiterleben, die ihn kannten. Er war ein ganz besonderer Mensch.

Die Faszination der Farbe Schwarz

Erwin Bechtold gehört zu den Großen der zeitgenössischen deutschen Kunst. Seine bevorzugte Farbe ist Schwarz – so wie die harten schwarzen Schatten im gleißenden Licht Ibizas. Seine Formen sind klar und gradlinig – so wie die Linien der traditionellen Fincas der Insel, auf der er 64 Jahren lebt. Am 12. April ist sein 97. Geburtstag. Aber auch mit 97 sieht er keinen Grund, den Pinsel aus der Hand zu legen. Ja, so schrieben wir im Frühjahr…

Bericht von Kirsten Lehmkuhl und Dieter Abholte, mit Fotos von Jon Izeta

Großformatige Bilder, großer Farbpinsel, lässige Eleganz – Erwin Bechtold in seinem Atelier. So war er auch noch mit 97… Foto: Jon Izeta

Die Wintersonne ist grell und malt die schwarzen Schatten der großen Palma auf die weißen Mauern der großen Finca in den Hügeln von Sant Carles. Erwin Bechtold hast sie selbst entworfen. „Setzen wir uns in die Sonne!“, sagt er. Erwin Bechtold ist so, wie wir ihn seit vielen Jahren kennen: Groß, 1,93, schlank, Jeans, grauer Pulli, darunter helles Hemd, blaues Halstuch. 97 wird er in wenigen Tagen. Unvorstellbar. Er rückt noch zwei Stühle an den Tisch in der Sonne. Der Blick geht auf das Meer, das im Licht wie flüssiges Silber wirkt. „Es ist immer wieder fantastisch, das zu sehen, zu erleben“, sagt er.

Die Widmung seines Freundes und großen spanischen Malers Joan Miró an Christina und Erwin Bechtold

Auf dem Tisch liegen zwei Bücher. In edlem schwarzem Leinen gebunden, die beiden Bände seiner eben erschienen Monografie und des Werksverzeichnisses – die Doktorarbeit der Kunsthistorikerin Kirsten Maria Limberg. Gewichtig ist die Auflistung seiner vielen Arbeiten. „Ich wusste nicht, dass ich so viel gemalt habe!“, lacht er. Daneben liegt der Katalog seiner großen Ausstellung im wohl bedeutendsten deutschen Museum für moderne Kunst: der „Küppersmühle“ im Duisburger Innenhafen. Wer es bis dorthin schafft, gehört wirklich zu den bedeutendsten Künstlern seiner Zeit. Das in einem mächtigen Industriegebäude mit moderner Architektur gestaltete faszinierende Museum hat Erwin Bechtold schon vor zwei Jahren eine Ausstellung gewidmet, die noch immer zu sehen ist. Die großen Formate seiner Bilder bestücken einen besonderen Raum. Und wenn man bei Erwin Bechtold von großen Formaten spricht, sind sie wirklich groß. Der Künstler musste dabei oft auf der Leiter arbeiten oder mit um zwei Meter verlängerten Pinseln.

Erwin Bechtold mit seiner Frau Cristina, sie war die liebenswerte, starke Frau an seiner Seite. Kennengelernt hatten sie sich in einer Küsntlerkneipe in Barcelona. Foto: Jon Izeta

Seine Werke hängen in den Museen der Welt

Sein Lebenswerk im Werksverzeichnis, die Ausstellung im Museum „Küppersmühle“ – das sind zwei weitere Höhepunkte im künstlerischen Leben des Erwin Bechtold – zwei von vielen. Erwin Bechtolds Werke finden sich unter anderem in der „Fundació Juan Miró“ (Barcelona), im „Museo Nacional Reina Sofía“ (Madrid), im „Museum Ludwig“ (Köln), im „Von der Heydt-Museum“ (Wuppertal), in der „Tate Gallery“ (London), im „Carnegie Museum of Art“ (Pittsburgh/USA), in der “Graphische Sammlung Albertina“ (Wien) und, und, und… Auch im Museum für Moderne Kunst „MAC“ auf Ibiza hatte er eine große Ausstellung. Und im „Es Baluard Museu“, dem Museum der Moderne in Palma, reichte ihm Spaniens König Juan Carlos die Hand.

Ich erinnere mich an unseren letzten Besuch im Haus und Atelier von Erwin Bechtold. Sieben Jahre sind es her, 90 wurde er. Was meine Kollegin Kirsten Lehmkuhl damals schrieb, ist so aktuell wie heute:

Über 70 Jahre ununterbrochenes Schaffen. Über sieben Jahrzehnte ein Leben für die Kunst. Erwin Bechtold ist unermüdlich in seiner Arbeit. Und es geht weiter. „Was ich bisher gemacht habe, ist sehr gut“, sagt er mit entschlossener Stimme. „Aber ich bin überzeugt, dass ich vielleicht nicht morgen, vielleicht übermorgen das beste Bild meines Lebens schaffe. Das muss noch gemalt werden.“

So Erwin Bechtold damals mit 90 Jahren. Worte, die auch mit 97 noch die gleiche Bedeutung haben. Er lächelt, sagt: „Zu malen ist ein Virus, der dich nicht in Ruhe lässt.“

Seit sieben Jahrzehnten folgt er, der abstrakte Künstler, einer klaren Bildsprache, glaubt an die Einfachheit der Form, zelebriert sie geradezu in ihrer Abstraktheit. Schwarztöne sind seine Farben, grandios begleitet von der ein oder anderen Farbigkeit. Zeitlos. Faszinierend, wenn man sich damit beschäftigt. Mitten ins Herz treffend.

Erst vor zwei Jahren hat er die wirklich großen Pinsel aus der Hand gelegt, die Leiter zur Seite gestellt. Jetzt schafft er kleinere Arbeiten. In derselben klaren Bildsprache. Mit derselben Leidenschaft, die ihn oft Wochen an einem Werk arbeiten lässt. Ein Bild ist erst fertig, wenn Erwin Bechtold sagt: „Das ist gut so!“ Kompromisse kennt er nicht bei seiner Kunst. Die kannte er nie in seinem Leben. Auch damals nicht, kurz nach dem Krieg, als er 25 war…

Grade Linien hat auch das Haus, das Christina und Erwin Bechtold aus einer Ruine schufen. Foto: Jon Izeta

Erwin Bechtold schockte alle

Mit Mühe und Not ist er im Zweiten Weltkrieg dem Militärdienst entkommen. Nun soll er die familieneigene Großdruckerei übernehmen. Ausgebildet zum Setzer, Grafiker und Drucker, bringt er es zum Meister – mit erst 25 Jahren. Aber er spürt eine große Leidenschaft in sich. Sie gilt der Grafik, der Kunst. Unbezähmbar! Ausgerechnet bei den Feierlichkeiten zur bestandenen Meisterprüfung, mit Abteilungsleitern, Prüfungskomitee, Gästen und schwungvollen Reden verkündet Erwin Bechtold vor versammelter Mannschaft, dass er nicht daran denke, die Firma in fünfter Generation zu übernehmen.

Dem Vater muss das Blut in den Adern erstarrt sein. Erwin war sein einziger Sohn. Alles war auf seinen Lebensweg ausgerichtet – seit der Kindheit: Lehre, Gesellenbrief, Meister, Boss der Firma… Aber Karriere, gut gefülltes Bankkonto, Villa in Kölns bester Gegend – das alles interessiert Erwin nicht. Er will nur eins: Maler werden! „Meine Eltern waren bitter enttäuscht. Doch ich musste meinen Weg gehen! Musste malen!“, sagt er, den die Werke von Klee schon als Jugendlicher fasziniert hatten.

Dafür muss er Köln verlassen. Er kommt aus einer stadtbekannten Familie mit einem angesehenen Unternehmen, das er nicht haben will. Er hört die Leute schon reden: „Da fängt dieser Nichtsnutz an zu malen, und was der auch noch malt! Das ist doch nicht schön…“ Bechtold lacht. „Ich musste weg.“

So fährt er 1950 nach Frankreich. Um beim berühmten Maler und Bildhauer Fernand Léger (eins seiner Bilder wurde 2017 für über 70 Millionen US-Dollar versteigert) in dessen Werkstatt-Schule in Paris Unterricht zu nehmen. Bei Fernand Léger! In Paris! Der brodelnden Kunstmetropole! Ohne einen Centime in der Tasche! Vom Vater bekommt er keinen Pfennig mehr. Bechtold sagt Léger, dass er kein Geld habe. Der nimmt ihn trotzdem. Und die Arbeiten des jungen Deutschen beeindrucken ihn so, die er mit sechs simplen Worten kommentiert: „très bien, très bien, très bien“. Sehr gut, mal drei. „Das war ein wichtiger Moment in meinem Leben“, sagt Erwin Bechtold, „ein international anerkannter Künstler streckt mir, dem Deutschen, kurz nach dem Krieg, die Hand entgegen wie einem Kollegen.“

Er lernt viel von Léger, der sich in seiner figurativen und gegenständlichen Phase befindet.  Doch Bechtold will mehr. Seine Welt ist das Abstrakte, die Weiterentwicklung des Figurativen. Das ist sein Weg. Er geht ihn – gradlinig wie er seine Bilder malt. Nach der „Lehrzeit“ in Paris reist er nach Barcelona. Er verdient sein Geld mit Buchtiteln, die er für bekannte Verlage wie „Lluís Miracle“ und „Destino“ gestaltet. Schnell ist auch der Kontakt zur Kunstszene in Barcelona geknüpft – zur katalanischen Avantgarde.

Erwin in seinem großen Atelier. “Oft arbeitet er wochenlang an einem Werk, bis es seinen Ansprüchen genügte”, berichtet seine Frau Christina. Foto: Jon Izeta

Der „große Deutsche“ wird gefeiert

1956 bekommt Bechtold seine erste große Chance. Er stellt in Barcelona in der renommierten „Sala Gaspar“ aus. Was für eine Aktion! Versammlungen sind unter Franco verboten, das Sprechen der katalanischen Sprache ebenso. Aber davon lassen sich Künstler nicht abhalten. Sie veranstalten ihre Vernissagen und Ausstellungen nachts – hinter verdunkelten Fenstern und verschlossenen Türen. Die Ausstellung des 1,93 Meter großen Deutschen wird ein Riesenerfolg. In nur vier Tagen werden mehr als 20 von Bechtolds abstrakten Bildern verkauft. „Ich war von Spanien, vor allem von Katalonien und Barcelona, begeistert“, gesteht Bechtold.

Die Kunstszene in Barcelona ist von dem Deutschen begeistert. Erwin Bechtold malt, illustriert Buchtitel, widmet sich im Auftrag von Verleger Joan Teixidor gar der Innenarchitektur. Er gestaltet dessen Privathaus, die Büroräume des Verlages und eine seiner Buchhandlungen. Das macht ihn auch in der Architektur-Szene zum gefragten Künstler. Unter den Auftraggebern sind Modegeschäfte, Verlage – und auch die Buchhandlung, „Librería Técnica Extranjera“. Für deren gläserne Innenausstattung wird er in Barcelona mit dem Preis für das beste Interieur-Design ausgezeichnet.

Seine innovativen Entwürfe sorgen für Furore in der Stadt. Erwin Bechtold verkörperte eine nie gesehene Modernität, die in Spanien infolge des Bürgerkriegs künstlerisch unbekannt ist. Es besteht kein Zweifel darüber, dass Bechtold zu denen gehört, die der spanischen Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Weg bereitet haben.

Der Künstler mit IbizaHEUTE-Online-Chefredakteur Dieter Abholte. Beide verband eine lange Freundschaft. Und natürlich hängt auch ein Werk von Erwin im Haus der Abholtes. Foto: Jon Izeta

Der ganze Trubel ist nichts für ihn

Erwin Bechtold ist „in“. Er wird umworben, hofiert, in die feinen Kreise eingeladen. Auch zu denen, die sich nur mit ihm schmücken wollen. Doch er ist keiner, der bei Vernissagen selbstverliebt am Champagner nippt und sich feiern lässt. Dazu gibt es bei der reichen Gesellschaft nicht wenige Damen, die nicht nur die Bilder eines Künstlers an die Wände ihres Boudoirs hängen wollen und gern vor Freundinnen über amouröse Abenteuer schwärmen möchten…

Kurzum: Der ganze Rummel wird Erwin Bechtold zu viel. So trifft er wieder eine seiner berühmten Entscheidungen. Und die heißt: Ibiza! Ratlosigkeit allerorten:

Wie kann einer auf dem Weg derr Berühmtheit weg von Barcelona in die Provinz gehen? Nach Ibiza? So das Unverständnis derer, die nach gesellschaftlichem Glanz streben.

Wie kann man als Künstler, der vor allem in Schwarz malt, auf einer bunten Mittelmeer-Insel arbeiten, ohne dem Reiz der Farbigkeit zu erliegen? So die Bedenken seiner Freunde aus der Kunst-Szene.

Erwin Bechtolds Antwort: „Schwarz ist für mich eine Farbe. Voller Nuancen. Mehr Farbe lenkt zu sehr ab. Wo viel Licht ist, ist auch Schatten. Und gerade dieses helle Licht bringt besonders dunkle, schwarze Schatten hervor. Dieser Gegensatz interessiert mich. Ibiza ist für mich eine Welt der Kontraste.“

In der Erinnerung sagt der Maler: „Natürlich war Barcelona damals ein ganz wichtiges Zentrum – für Spanien und auch für Europa. Doch es war nicht mehr meine Stadt. Ich brauchte einen anderen Ort und so kam meine Erinnerung an Ibiza. Ich hatte die Insel früher besucht. Ich kam damals in strömendem Regen nach einer furchtbaren Reise auf einem kleinen Schiff an. Es wurde Abend, der Regen ließ nach, die Straßenlaternen gingen an, und als ich durch die Gassen ging, wusste ich schon, dass das ein unglaublicher, fabelhafter Ort war ­– der Ort, von dem ich immer geträumt hatte.“

Pinsel, Farben, Töpfe – die Material-Ecke im riesigen Atelier des Künstlers. Foto: Jon Izeta

Lange vor der Hippiezeit war er hier

1958 lässt er sich mit seiner Frau Christina auf der Insel nieder, die er als Studentin in Barcelona kennenlernte. Zehn Jahre vor der Hippiezeit. Sie schaffen sich über die Jahre ein wunderbares Zuhause, bauen ein altes ibizenkisches Bauernhaus mit viel Gefühl und Respekt vor der alten Bausubstanz um – ihr „Can Cardona“ in Sant Carles, im Osten der Insel. Ein Anwesen mit mächtigen weißen Mauern, schwarzen Holzbalken und Blick aufs Meer. Auf dem blau-weißen Türschild steht schlicht: BECHTOLD.

1959 gründet er zusammen mit anderen Künstlern die „Grupo Ibiza 59“. Spektakuläre Ausstellungen folgen, die Ibizas kulturelles Leben verändern. Zum ersten Mal sieht man dort Werke herausragender Avantgarde-Künstler. Erwin Broner gehört zur Gruppe, Hans Laabs, Egon Neubauer, Heinz Troekes, Bob Munford, Antonio Ruiz, Bertil Sjoeberg, später auch Carlos Sansegundo, Bob Thompson, Pierre Haubensak. Im berühmten Hotel „El Corsario“ in der Altstadt finden die meisten ihrer Ausstellungen statt. Schon bald verbindet man in ganz Europa den Namen Ibiza mit künstlerischer Avantgarde.

Erwin Bechtold skizziert eine Idee zu einem Bild. Dieses Foto entstand bei unserem Interview, kurz bevor er 97 wurde. Foto: Jon Izeta

Die Störung als Thema seiner Werke

Fünf Jahre bleibt die „Grupo Ibiza 59“ zusammen, dann löst sie sich auf. Bechtold bleibt, arbeitet und schafft außergewöhnliche Werke. Was macht diese so besonders? Es ist die konstante Suche nach der Dualität, dem Kontrast, dem Dialog zweier entgegengesetzter Elemente. Bi-Polarität kann man es nennen. Ordnung trifft auf Unordnung. Vernunft auf Instinkt. Geplantes auf Spontanes. Stabiles auf Instabiles. Konstruktion auf Dekonstruktion. Starres auf Bewegliches. Geometrische Komponenten werden mit organischen Elementen konfrontiert, die einen Kontrapunkt zur Ordnung der Komposition setzen, sie verändern, einen Bruch herbeiführen, stören.

Diese Störung, dieser Konflikt ist es, der die Spannung seiner Werke erzeugt. Eine, die fasziniert und berührt. Bechtold zwingt zum Hinschauen, macht es zum Erlebnis. Dabei ist er durchaus fordernd: „Ich sehe, dass Leute, die schnell an meinen Bildern vorbeigehen, nichts sehen. Ich male nicht für Leute, die nichts sehen wollen! Ich male für Leute, die sehen wollen, so wie ich. Die sich einlassen wollen…“

Am 12. April wurde Erwin Bechtold 97 Jahre alt – jetzt starb er.  Ein Künstler, der seinen Weg gegangen ist. Gegen alle Widerstände, gradlinig, ohne Kompromisse! So war er! Die Kunst hat einen wichtigen Künstler verloren. Die, die wir ihn kannten, einen besonderen Menschen. Unsere Gedanken sind bei Christina, seiner Frau, die ihn so viele Jahre auch in den schweren Jahre begleitet hat – sie war die liebevolle starke Frau hinter einem starken Mann.