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IBIZA Premium „Festival Club“ – die Ruinen des Party-Paradieses

Ibiza für Entdecker - PREMIUM


Abseits der bekannten Pfade birgt Ibiza viele Geheimnisse. In unserer Serie über Ibizas vergessene Orte begeben wir uns auf die Spuren bedeutender Plätze, die heute kaum noch jemand kennt. Einer davon liegt in den Bergen von Sant Josep, verfallen und längst dabei, von der Natur zurückerobert zu werden: In dieser Ausgabe entdecken wir den „Festival Club“ wieder. Von seinen goldenen Tagen als schillernder Hotspot der 70er sind nur noch apokalyptisch anmutende Ruinen übrig. Diese locken heute wiederum ganz neue Besucher an… Carina Neumann ging auf Spurensuche. Fotos: Rüdiger Eichhorn
Nur wenige Minuten nord-östlich von Sant Josep liegt unscheinbar ein altes Gemäuer. Was vorerst aussieht wie ein kleines, zerfallenes Häuschen, ist das Tor zu etwas weitaus Größerem – ein Gang mit Rundbögen und von Graffiti übersäten Wänden mündet direkt in das riesige Amphitheater des verlassenen Festival Clubs. Von hier oben erkennt man erst das ganze Ausmaß dieser Anlage, in der einst Tausende feierten. Shows, Musik-Festivals, „Stierkämpfe“ mit Kälbern – alles, was in den frühen verrückten Jahren der Insel als „spanisch“ und „Spaß“ galt, wurde hier geboten.
Die ursprünglichen Formen sind noch klar erkennbar. Terrassenförmig angelegte Steintische und -bänke ringen sich um eine große zentrale Bühne. Ein Stück weiter oben sind die Reste einer Miniatur-Stierkampf-Arena zu erahnen. Hier fanden Amateur-Vorstellungen mit Jungbullen statt. Blut geflossen ist dabei aber nie – das sichern uns Zeitzeugen zu. Oben, am Eingangsbereich, befanden sich Bars und ein Restaurant.
Was war hier los? Und warum ist es heute nicht mehr so? Die Spurensuche gestaltet sich schwierig. Es gibt kaum Aufzeichnungen. Der Auszug einer alten Werbung verrät nur: Jeden Sonntag und Montag wurden Barbecue-Partys im Festival Club veranstaltet. Die verschnörkelte Schrift mit dem Namen „Festival Club“ ist auch auf dem Bar-Gebäude noch gut zu sehen.
Unzählige Graffitis zieren die Ruinen, vieles ist zerstört. Vandalismus und Verfall sind hier unverkennbar zu Hause. Aber auch die Natur macht sich einen Namen als Abriss-Unternehmen: Pflanzen und sogar ganze Bäume haben sich ihren Weg zurück durch den bröckeligen Beton gebahnt, Wurzeln ganze Mauern gesprengt. Ein Autofriedhof mit alten Wrackteilen und allerlei Müll türmen sich leider auch zwischen den Mauern auf.
Von dem alten Bar-Komplex hat man nicht nur eine prima Aussicht über die verfallene Anlage, sondern auch über das Tal Sant Joseps. Spektakulär und doch abgeschieden. Was müssen das damals für wilde Partys gewesen sein? Hoch oben in den Bergen, abseits von Wohnsiedlungen und Realität? Das alte Gemäuer lässt der Vorstellungskraft viel Spielraum…
Manchmal ist die Realität aber noch besser als die Fantasie. Und wir wären nicht IbizaHEUTE, wenn wir uns damit abfinden würden, dass sich scheinbar niemand an den Festival Club als lebendigen Organismus erinnert. Wir machten uns auf die Suche – und fanden wahre Geschichten …
Zeitsprung in die 60er Jahre: Ibiza galt damals, unter Franco, als „verlorene Insel“. Verloren, weil die Wirtschaft stagnierte und Ibiza in einer Krise steckte. Streng katholisch ging es außerdem zu. Die Ibizenkerinnen trugen zugeknöpfte Tracht, ein Kuss auf der Straße war anstößig. Es gab staubige Feldwege und kaum Straßen.
Ende der 60er Jahre aber wurde eine Teerstraße von Sant Josep in den hügeligen Pinienwald gelegt. Denn plötzlich begann der Tourismus auf Ibiza zu boomen – junge Menschen aus aller Welt rückten an, um hier ausgelassene Urlaubstage und -nächte zu verbringen. Nach der Wirtschaftskrise war der Tourismus ein willkommenes Geschäft auf Ibiza.
Hotels poppten aus der Erde, und 1972, als hier die verrückte Zeit einen Höhepunkt erreichte, wurde auch der Festival Club eröffnet. „Das war schon alles sehr seltsam“, erinnern sich die Nachbarn der Anlage – soweit man von Nachbarn reden kann, denn in den Hügeln selbst gab es kaum Häuser oder jemanden, den das, was dort vorging, stören konnte. Die nächsten Häuser lagen an dem – damals noch – Feldweg in die Hügel. Ihre Bewohner, die die Zeit miterlebten, sind heute etwa 70 Jahre alt und geborene Ibicencos. „Da baute man erst Straßen und verlegte Stromleitungen – und karrte dann Busse voll Touristen in die Berge. Die Partymusik hallte bis hier runter und man erzählte sich sonderbare Geschichten, von zirkusähnlichem Treiben, großen Grillfeuern und Mini-Stierkämpfen mit Babystieren. Woher diese komische Tradition mit den Kälbern kam, weiß keiner von uns. Von den Spaniern jedenfalls nicht“, reflektieren sie. Dort oben wurde der Traum vom verrückten Spanien verkauft – maßgeschneidert für die exotischen Fantasien einer reise- und vergnügungs-freudigen neuen Generation…
Der Festival Club war offenbar ein rein touristischer Vergnügungsort. Spricht man mit Ibicencos dieser Generation, bekommt man meistens dieselbe Antwort: Man hätte gewusst, dass es irgendwo in den Bergen so etwas gab. Aber sie selbst seien nie dort, geschweige denn offiziell eingeladen gewesen. Nie sah man Werbung von Veranstaltungen oder hörte von Partys. Die Besucher rückten in Hotelbussen an, und die Abende im Festival Clubs waren Teil eines organisierten Programms. Einheimische zu finden, die drinnen waren, ist denkbar schwierig. Nicht einmal die Gemeinde von Sant Josep hatte nähere Infos über den Festival Club. Er ist ein echter „Lost Place“. Fast…
Sicher ist, dass die glorreiche Ära des Festival Clubs nur zwei Sommer lang dauerte. Im Jahr 1974, noch vor Beginn seiner dritten Saison, musste der Club seine Türen schließen und sollte sie auch danach nie wieder öffnen. Durch die Ölkrise 1973 waren die Reisen nach Ibiza so teuer geworden, dass der Tourismus einbrach. Viele Einrichtungen auf der Insel gingen damals als Folge der Krise bankrott.
Auch, als der Tourismus wieder anzog, sollte es keine neue Chance für den Festival Club geben. Es gab zu viele Beschwerden von Seiten der Nachbarn, um diesen Ort wieder als Veranstaltungsort zu eröffnen. Und was macht man sonst mit einer so großen Anlage mitten im Wald? Darauf wussten wohl selbst die Besitzer keine Antwort: Es existieren Gerichtsdokumente aus den 90er Jahren, in denen Umweltschützer die Grundstücksbesitzer wegen „Unratsabladung“ verklagten. Offenbar war der Festival Club vollends zur Müllkippe mutiert und die Kläger forderten von den Besitzern, den Müll zu entfernen und das Gelände unzugänglich zu machen. Die Eigner aber weigerten sich – und aufgrund des Vertrags, der in den 60er Jahren geschlossen wurde, kann das Gericht sie nicht zu einer Räumung zwingen. Seitdem schlummert der Festival Club verlassen vor sich hin.
Doch ganz so verlassen ist der Ort im Grunde gar nicht: In den 80ern und 90ern wurde der Festival Club zur Tanzfläche inoffizieller Rave-Partys. Nachts traf man sich hier mit großen Ghettoblastern, oder DJs bauten ihr Equipment auf der alten Bühne auf.
Der belgische Künstler Luc Peiffer war so beeindruckt vom nostalgischen Charme des Festival Clubs, dass er ihn als Schauplatz für einen seiner Comics nutze. „Als ich 1986 hier war, inspirierte mich dieser Ort sehr“, erinnert er sich. „Das Gemäuer ließ so viel Platz für Ideen und Fantasie, und ich dachte: Darüber musst du einen Comic machen! Dann strickte sich diese Geschichte in meinem Kopf zusammen. Sie handelt von einem jungen Mann, Anfang 20, wie ich es damals war. Er trifft mit seiner Freundin auf diesen ungewöhnlichen Platz. Die beiden sehen sich neugierig um, doch plötzlich verschwindet das Mädchen zwischen den Mauern und die anfängliche Liebesgeschichte wird zu einem Krimi.“ Damals, so sagt er, waren die Mauern der Anlage noch weiß. Obwohl sie schon rund 15 Jahre verlassen waren, war noch kein Graffiti darauf zu sehen.

Doch die Graffiti-Bewegung kam – und sollte dem Festival Club erneut neues Leben schenken: Es begann in den 90er Jahren mit den Sprayern, als Graffiti sich zur Kunst entwickelte. Heute ist der Festival Club ein Treffpunkt für Graffiti Künstler aus aller Welt. Fast täglich entstehen hier neue Wandgemälde.
Aber nicht nur die Künstler freuen sich über den gigantischen Spielplatz – als unser Fotograf die Bilder für diesen Artikel schoss, verließ gerade eine Gruppe farbpatronen-bewaffneter Paintball-Spieler das Gelände.
Der Festival Club ist aufgegeben – aber nicht verlassen, nicht tot. Heute bietet er eine Kulisse für verschiedenste Eingeweihte. Es gibt sogar eine Facebook-Gruppe, in der junge Menschen aus aller Welt zwischen den Ruinen posieren. Ein Beitrag aus dem Sommer 2015 verrät, dass ein Poledance-Studio hier einen Werbeclip drehte. Und im Rahmen eines künstlerischen Projektes entstand auch ein Video des berühmten DJs Alfredo Fiorito. Er war in den 80er Jahren einer der bekanntesten Acid House DJs auf der Insel. Die ibizenkische Künstlerin Irene de Andrés lud ihn 2013 ein, ein Set auf der zerfallenen Bühne des Clubs zu spielen. Die Kamera schweift zur fetzigen Musik über die verlassene Anlage – wieder einmal ein Beweis dafür, dass vieles vergänglich ist, aber nicht die Musik. Der Festival Club verlor mit den Jahren sicherlich viel von seinem Putz. An Faszination und Mystik hat er jedoch viel gewonnen…
Der Festival Club ist nicht abgesperrt. Er liegt etwas nördlich von Sant Josep: Von Eivissa aus kommend, vor dem Ortseingang Sant Josep die erste Straße nach der Cepsa-Tankstelle rechts, dann die erste links, die erste rechts und dieser Straße folgen, bis die unscheinbaren Mauern auftauchen…

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