Der Chefredakteur von IbizaHEUTE schreibt heute über Ibiza und Formentera nach der Saison, über die Veränderungen in der Welt und auf den Inseln und über die Lügen von Politik und Funktionären.
Liebe Leser,

einen schönen Sonntag, wo immer Sie sind. Erst einmal möchte ich Danke sagen für die vielen Kommentare auf mein Editorial vom vergangenen Sonntag. Ich hatte mich zu dem drittklassigen Bericht in der Online-Ausgabe der „Süddeutsche Zeitung“ ziemlich eindeutig geäußert. Eine Autorin schrieb dort: „Wer braucht schon Ibiza?“. Ich fragte zurück: „Wer braucht solche Autoren?“
Rund 100 Leser schrieben mir Ihre Meinung – in E-Mails direkt an mich, als Kommentare in unserer Facebook-Gruppe „IbizaHEUTE für Residenten und Urlauber“, in der jeder willkommen ist, und auch über unsere sozialen Kanäle. Dafür sage ich danke. Es waren gute Kommentare mit viel Sachverstand und Kenntnissen von Ibiza und Formentera.
Aus vielen der Zuschriften las ich die Sehnsucht nach dem alten Ibiza heraus, aber auch die Erkenntnis: „Das ist vorbei. Die Insel hat sich verändert, wie sich die ganze Welt verändert hat!“ Ja, sie hat sich verändert. Das ist so. Leider und überall! Sehen wir uns doch nur diese große Show zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris an. Sie war gigantisch. Nur als dann die Funktionäre, an der Spitze der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach, vom friedlichen Treffen der Jugend der Welt zum fairen Wettkampf redeten, hat sich mir der Magen umgedreht.
Fairer Wettkampf? Wie bitte! Da sind Chinesen zugelassen, deren systematisches Doping doch die ganze Welt weiß. Und das von den IOC-Funktionären nur nicht geahndet wird, weil sonst das Märchen vom Geist der Olympischen Spiele schon Asche wäre, bevor das Olympiafeuer überhaupt angezündet worden wäre. Und schon am ersten Tag der Spiele musste die Trainerin der kanadischen Frauenfußball-Mannschaft ihre Koffer packen, weil ihr Video-Analyst das Training der neuseeländischen National-Mannschaft per Drohne ausgekundschaftet hatte. Olympia ist für nicht wenige Nationen, an der Spitze steht da China, doch nur noch die Weltbühne, um die Stärke der Nation zu präsentieren. Und wenn es nicht ohne Doping geht, dann halt mit Betrug …
Ich könnte das ausweiten auf viele andere Bereiche, auch solche, die Ibiza betreffen. Sehen wir uns doch diese – für mich hässlichen – Kreuzfahrtriesen an, die jetzt täglich Ibiza anlaufen – bis zu drei Schiffen mit Platz für insgesamt 10.000 Menschen. Auf den bunten Prospekten des Kreuzfahrt-Tourismus erscheinen dann immer wieder die Argumente, dass man den Passagieren die schönsten Plätze der Erde zeigen möchte. Dabei wissen die Reedereien der Schiffe genau, dass sie erheblich dazu beitragen, die schönsten Plätze der Erde zu zerstören. Wenn 10.000 Passagiere in romantische kleine Orte wie Ibiza einfallen. Wenn die Abgase ihrer Maschinen an einem Tag die Luft mehr verpesten, als alle Autos auf Ibiza in einem Jahr. Und weil die Liegegebühren für ihre Riesenkolosse im Hafen billiger sind als der Sprit für die Seereise, bleibt man halt noch einen Tag länger und jagt weiter seine Abgase in die sonst saubere Insel-Luft.

Kaum anders ist es beim Massen-Tourismus, der auch Ibiza in diesem Jahr wieder überrollen wird. Die Verantwortlichen versprechen nach den heftigen Protesten der Menschen, die das nicht mehr mitmachen wollen: „Dagegen werden wir etwas tun!“ Aber insgeheim hoffen viele weiter auf diesen Massen-Tourismus, der Milliarden Euro in die Kasse der Insel-Unternehmen spült. Der Tourismus macht auf den Balearen rund 50 Prozent der Einnahmen aus. Ohne die Milliarden wären die Inseln und die Menschen hier arm!
Lügen, Verharmlosungen, Vortäuschen einer heilen Welt, das ist die Masche der Welt, in der wir leben – und das gilt von den Politikern, über Tourismus-Brunche und Fluggesellschaften, bis zum Olympischen Komitee. Was können wir dagegen tun? Wollen wir überhaupt dagegen etwas tun? Gut, wir in Deutschland, in Spanien und dem großen Teil des freien Europas können alle vier oder fünf Jahre die Politik durch unser Kreuz auf dem Wahlzettel beeinflussen. Ich erspare mir die Frage, wie weit sich viele Politiker schon von ihren Wählern und den Menschen im Land entfernt haben …
Bei diesem Gedanken wird mir wieder klar, welches Glück wir haben, hier auf Ibiza und Formentera zu leben, oder die Inseln unser Urlaubsziel sind. Bei vielem, das wir zu Recht anprangern, wissen wir, dass Massen-Tourismus mit all seinen Auswirkungen in rund sechs Wochen Geschichte ist. Ab September haben wir die Inseln für mehr als ein halbes Jahr zurück. Ich freue mich darauf. Dann sind die Strände wieder leerer, die Restaurants preiswerter oder besser im Service. Das Meer ist noch herrlich warm zum Baden. Die Gassen der Altstadt können wir wieder genießen, ohne uns durch Urlauber-Massen zwängen zu müssen.
Herbst, Winter, Frühling – das ist für mich die schönste Zeit auf unseren Inseln. Und dann ist ein Teil des Zaubers der Inseln so zurück, wie es vor vielen Jahren war, als ich mich in die Insel verliebte. Als ich aus dem Flugzeug in das Licht der Insel stieg, diesen einmaligen Geruch nach Kräutern und Meer tief einatmete und mir sagte: Hier möchtest du einmal leben.
Damals war es ein Traum, heute ist es Wirklichkeit. Mit allen Schattenseiten, die ich sehe, gilt bei mir noch immer: Ich bin glücklich, auf meiner Insel zu sein. Ich hoffe, dass es bei vielen von Ihnen ähnlich ist. Und wenn Sie Ibiza und Formentera in dieser Zeit bisher nicht erlebt haben, kommen Sie zum Urlaub auf die Inseln. Es ist einfach traumhaft schön …