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Ibiza-Stadt

Editorial von Dieter Abholte: Wie ich es sehe…

Der Chefredakteur schreibt darüber, wie groß die Gefahr ist, dass sich eine verheerende Unwetter-Katastrophe wie in Valencia auch auf Ibiza ereignen könnte. Und wie die Balearen-Regierung in letzter Minute ein Gesetz stoppte, das Bebauungen in von Fluten gefährdeten Gebieten genehmigen wollte.

Liebe Leser,

Dieter Abholte

ich hatte es in meinem Editorial vom vergangenen Sonntag gefragt: Was wäre auf Ibiza passiert, wenn sich die Flutmassen des „Gota fria“ über Ibiza ergossen hätten. Denn diese Unwetter, die in jedem Spätsommer wiederkommen, sind unberechenbar. Dieses Mal traf es vor allem Valencia und das ist nur 170 Kilometer entfernt. Im nächsten Jahr könnte es vielleicht Ibiza treffen. Das noch nähere Mallorca hat es schon mal getroffen: 2018 starben im Osten der Insel 13 Menschen in den Fluten von Sturzbächen, weil die Torrents, die Regenfluten nicht mehr aufnehmen konnten.

Die Torrents sind das Stichwort. Die Natur hat sich diese Regenbäche über Millionen von Jahren selbst geschaffen. In diesen Sturzbach-Betten fließen die Fluten des „Gota fria“ und anderer sintflutartigen Regenmengen von den Bergen und höher gelegenen Flächen ins Meer. Dass diese Torrents wohl in Valencia zugeschüttet oder gar bebaut wurden, hat viele Menschenleben gekostet. Die reißenden Wassermassen suchten sich einen neuen Weg: durch die Straßen der Ortschaften.

Die Katastrophe von Valencia ereignete sich just in der Zeit, in der die Balearen-Regierung das Gesetz der Vorgänger-Regierung kippen wollte. Die hatte beschlossen, dass in von Hochwasser gefährdeten Gebieten nicht gebaut werden dürfte. Genau das wollte die neue Regierung kippen – und diese Gebiete zur Bebauung freigeben. Betroffen wären auf den Balearen, auch Ibiza, insgesamt 570 Parzellen. Sie sollten zur Bebauung freigegeben werden. Angesichts der Flutkatastrophe von Valencia zog die Regierung in letzter Sekunde diesen Plan zurück.

Wissenschaftliche Untersuchungen und Wasserweg-Karten zeigen, dass – zumindest auf Mallorca – schon jetzt viele Häuser und Siedlungen bei solch einer Katastrophe gefährdet wären. Auch dort würden Menschen in den reißenden Fluten ums Leben kommen, würden Häuser überschwemmt oder weggerissen, würden Autos vom Wasser mitgerissen und gestapelt – was noch die geringste Gefahr wäre. Solche Werte kann man ersetzen, das Leben von Menschen nicht.

Natürlich ist es verführerisch, in der Nähe von Torrents Bauland zu schaffen. Denn seit Menschengedenken ist dort nichts passiert. War es in Valencia auch nicht. Aber dann kam das Wasser – und konnte nicht abfließen. Kollegen der „Mallorca Zeitung“ schrieben in einer Überschrift: „Eine Unwetter-Katastrophe wie auf Valencia ist auf Mallorca keine Frage des Ob, sondern des Wann.“

Wie sieht es auf Ibiza aus, wenn hier der „Gota fria“ seine Schleusen öffnen würde? Ich hoffe, besser. Jedenfalls wurde beim Neubau des Kreisels hinter Jesús ein fast verschwundener Torrent in ein stabiles Bett aus Beton gelegt. Ich bin überzeugt, dass nach Valencia-Katastrophe die verantwortlichen Inselpolitiker hier die Torrents überprüfen lassen, ob das Wasser im Katastrophenfall ungefährdet ablaufen kann. Dann nämlich, wenn in Stunden so viel Regen fällt, wie sonst im ganzen Jahr.

Dabei drängt sich eine grundsätzliche Frage auf: Weshalb wollen wir modernen Menschen immer mehr in die Natur eingreifen. Natürlich – im Falle der Torrents – um mit mehr Bauland Geld zu verdienen. Aber ich denke auch weiter und an andere Veränderungen! Sehen wir uns die Fincas Ibizas an, die so gebaut wurden, wie aus der Erfahrung vieler Hundert Jahre. Kleine Fenster nach Norden, damit der kalte Nordwind des Winters nicht eindringen kann. Fenster und Terrassen des Südens, mit Dächern so beschattet, dass die heiße Sommersonne draußen bleibt, aber die tiefer stehende Wintersonne die Räume wärmt.

Bei der modernen, stylishen Architektur, die zurzeit fast überall gebaut wird, müssen die Häuser mit ihren riesigen Glasflächen im Sommer durch große Klimaanlagen gekühlt, im Winter durch aufwendige Heizungsanlagen gewärmt werden. Und kein Ibicenco hätte wegen der hohen, salzigen Feuchtigkeit früher direkt am Meer gebaut, in die Nähe eines Torrents schon gar nicht.

Lernen wir davon, was sich auf den Inseln in Jahrhunderten gebildet und bewährt hat. Seien wir in unserer modernen Welt nicht so überheblich, mehr wissen zu wollen als die jahrhundertelange Erfahrung der Menschen. Überheblichkeit kann schwer bestraft werden. Die Flutkatastrophe von Valencia mit vielen Todesopfern, mit Tausenden verzweifelten Menschen, die alles verloren haben und mit Angst in die Zukunft blicken, zeigt es.

Bitte verzeihen Sie mir die trüben Gedanken an diesem strahlenden Tag auf Ibiza und Formentera. Aber sie beschäftigen mich sehr…

Herzlich, Ihr Dieter Abholte



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