Ibiza und Formentera verlieren wieder ein Stück ihrer Einmaligkeit. Unser IbizaHEUTE-Chefredakteur schreibt über das Aus für die alten Chiringuitos auf Formentera und über andere Zerstörung von dem, was den Charme Ibizas und Formenteras ausmacht.
Liebe Leser,

seit Freitag steht es fest: Die Chringuitos, diese einfachen urigen Formentera-Strandbuden, wird es so nicht mehr geben. Die verantwortlichen Politiker entschieden: Die Inhaber, die ihre Chiringuitos viele Jahre aufgebaut haben, werden endgültig rausgeworfen. Ab Juni dürfen neue Konzessionäre am Platz der alten Buden ihre Betriebe öffnen. Nur eine der acht kleinen Strandlokale darf bleiben: Bartolomé Torres in Es Copinar. Und das nur, weil der Konzessionär, der eigentlich den Platz von Bartolomé einnehmen sollte, von seinem Vertrag zurückgetreten ist
Warum die alteingesessenen Familien rausgeworfen werden, die ihre Chiringuitos aufgebaut und viele Jahre betrieben haben? Warum wird ihre Existenz vernichtet? Wir haben hier in IbizaHEUTE-Online oft darüber geschrieben: Die Konzessionen für die Buden am Strand wurden neu ausgeschrieben. Und weil andere Unternehmen – auch solche, die mit Formentera rein nichts zu tun haben – wahnsinnig hohe Summen bis zum zehnfachen des tatsächlichen Wertes boten, bekamen sie den Zuschlag.
Geld ist wichtiger als Tradition und Verantwortung gegenüber den Menschen, die einfach ihrer Existenz beraubt wurden. Sie sitzen auf der Straße. Unternehmer mit viel Geld bauen jetzt ihre Chringuitos auf. Ich wette: Nicht zuletzt mit dem Gedanken: Aus den kleinen Strandlokalen lassen sich doch mal schicke und teure Beachclubs – und das große Geld –machen. Natürlich nicht sofort, aber in der Zukunft, wenn man mit großen Scheinen wedelt. Was einmal geklappt hat, muss doch auch wieder klappen – und schließlich will man nicht umsonst jetzt viel Geld investiert haben.

Für mich passt das in eine Entwicklung, die ich seit Jahren mit Unbehagen beobachte: Formentera – aber auch Ibiza – verlieren immer mehr ihrer Einmaligkeit. Sie verkaufen Stück für Stück ihre Tradition und ihre Seele. Wenn nicht für Geld, dann für den Wahn, dass man doch modern sein muss. Dafür wurde etwa ein Architekt aus Italien geholt, der den Platz Vara de Rey in der Insel-Hauptstadt – nach meinem Empfinden – zur seelenlosen Fläche umbaute. Beim Interview erklärte mir der damalige Bürgermeister stolz, der Architekt habe auch in Florenz Plätze umgebaut…
Hallo, geht es noch: Ibiza und Florenz zu vergleichen, hat die Grenze zum Größenwahn deutlich überschritten. Vara de Rey als (kleiner) Hauptplatz in der kleinen Insel-Hauptstadt braucht alte Bäume mit Bänken, auf denen die alten Ibizenkos im Schatten sitzen und reden. Braucht einen Zeitungs-Kiosk, wo man sich seine Zeitung kauft, um dann in einem gemütlichen Café zu sitzen. Braucht spanische Seele und keine exportierten Ideen einer italienischen Großstadt.
Die für schnödes Geld auf Formentera verkauften Chringuitos und der jetzt seelenlose Platz Vara de Rey passt in die Reihe des geschmacklos umgebauten Hafens im Fischerviertel La Marina. Genau wie der Rauswurf des altehrwürdigen „Club Náutico Ibiza“ aus dem Hafen – ein Jahr vor dem hundertjährigen Bestehen. Ich kann die Liste gern verlängern um die Chringuitos auf Ibiza, die zu teuren Beachclubs oder Strand-Restaurants werden. Mit jeder Änderung geht ein Stück dessen verloren, was die Seele und Einmaligkeit Ibizas und Formenteras ausmacht.
Schon jetzt sind die Inseln in weiten Teilen austauschbar. Früher wusste ich, wenn ich in einem der Straßencafés von La Marina mit den ausgetretenen krummen Stufen und den alten Bäumen saß: Das ist Ibiza! Heute könnte es genau so ein seelenloser Ort bei Nizza, auf Mallorca oder anderswo auf der Welt sein. Ein Stück der Insel ist austauschbar. Und es wird immer mehr. Und es zeigt Wirkung. Weshalb sind am Hafen und in La Marina die Gassen, Restaurants und Geschäfte leerer geworden? Weil sie Romantik und Einmaligkeit verloren haben. Die teils unverschämten Preise kommen noch dazu…
„Die Touristen suchen etwas Anderes als die morbide Romantik, die wollen es moderner, schicker!“, so sagte mir tatsächlich vor ein paar Tagen einer der Tourismus-Experten Ibizas. Auf den Gedanken, dass die Insel die Urlauber schon verloren hat, die genau diesen Charme der Insel suchten und deshalb nach Ibiza reisten, auf den Gedanken kam er nicht. Und der Trend wird sich fortsetzen. Bekannte Ibiza-Unternehmen bauen schon riesige Vergnügungs- und Shopping-Center außerhalb wie an der Cala d’en Bossa. Der Massen-Tourismus wird sich darüber freuen. Wir, die wir Ibiza entdeckten, es so lieben lernten, wie es war, wohl nicht.
Sie sehen, liebe Leser, meine heutigen Gedanken passen zum Wetter und sind trübe. Aber wie soll es auch anders sein, wenn Formenteras Politiker beschließen: Wir setzen die Menschen auf die Straße, die ihre Chiringuitos aufgebaut haben, und holen Neue rein, die mehr Geld bieten. Die Entscheidungen von heute werden sich rächen. Aber dann sind die, die dafür verantwortlich sind, wohl nicht mehr im Amt.
Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag und vielleicht trösten Sie sich, wie ich mich tröste: Ibiza und Formentera sind trotzdem schön…