Formenteras neue Chiringuitos: Tristesse statt bunte Fröhlichkeit

Liebe Leser,

es regnet auf Ibiza und Formentera, der Tag startet trüb. Irgendwie passt das zu meiner Stimmung. Denn eben hat mir unser Leser-Fotograf Peter Eberhardt von Formentera die Fotos der geschlossenen Chiringuitos geschickt. Und geschlossen sehen sie noch furchtbarer aus, als wenn wenigstens ein paar bunt gekleidete Menschen dort am Strand sitzen: Tristesse pur mit dem Charme billiger Strand-Klos. Warum sie jetzt geschlossen sind, die Strandbuden in einheitlich braunem Look? Ja, weil das spanische Gesetz vorschreibt, dass Chiringuitos im Winter geschlossen zu sein haben, eigentlich sogar abgebaut werden müssten.
Sollten sie eigentlich auf Formentera auch: Abbauen für ein paar Wochen, dann wieder aufbauen. Mit Lastwagen, die an den Strand rollen müssten, um das Material der Buden jeweils beim Ab- und Aufbau zu transportieren. Reifen schädigen den Strand, Abgase werden in die Luft gepustet, Menschen zur unnötigen Arbeit gezwungen. Zum Glück haben da die Chiringuito-Besitzer gesagt: „Nein, machen wir nicht. Schließen ja, abbauen nein. Die Buden bleiben stehen!“ Allerdings droht ihnen jetzt eine Strafe. Wahnsinn kennt offensichtlich keine Grenzen …
Und so wird nun das nächste Kapitel in dem unsäglichen Thema „Chiringuitos“ auf Formentera aufgeschlagen. Zur Erinnerung: Erst wurden die Menschen, die die einst fröhlichen Kioske aufgebaut und viele Jahre betrieben hatten, vom Strand vertrieben. Sie mussten ihre Chiringuitos abbauen und ihre Existenz aufgeben, weil andere für die Konzession viel mehr Geld boten. Dann durften sie doch eine Saison weitermachen, weil die neuen Konzessionäre noch nicht das Material für die Kioske hatten. Danach wurden dann die neuen Chiringuitos gebaut. In angeblich umweltfreundlichem Material, was dann so aussieht, wie Sie auf den Fotos sehen können – mit dem Charme billiger Strand-Toiletten in Einheits-Braun.
Nun kann mir niemand ernsthaft erzählen, dass es umweltfreundlich ist, die bestehenden Kioske abzureißen, das Material zu entsorgen, um dann mit neuem Material neue Kioske aufzubauen. Da werden Ressourcen vernichtet, dazu durch Auf- und Abbau die Umwelt belastet. Aber es gibt auch einen anderen Aspekt: die Lebensfreude, die von den alten, selbst zusammengezimmerten, Chiringuitos ausging. Die waren bunt, fröhlich, einmalig. Da ging man auf Formentera zur blauen Bude, zur weißen Bude, zur roten Bude und hatte ein Stück Karibik an den türkisfarbenen Traumstränden der Insel. Da gab es viele schöne Details wie den Wunschbaum, behangen mit kleinen Funden vom Strand, oder die kunterbunten Zeichnungen an den Wänden. Es ist alles nicht mehr.
Noch etwas hat sich nach Informationen unserer Leser geändert: die Preise. Raten Sie mal, wohin die gegangen sind? Richtig: nach oben! Schließlich müssen die neuen Pächter die gezahlten Wahnsinnssummen für die Konzessionen irgendwie wieder reinkriegen.
Mir ist klar, dass wegen der seelenlosen Chiringuitos nicht weniger Touristen nach Formentera kommen. Wer die alten bunten Strandbuden nicht kannte, wird sie nicht vermissen und sich am Blick aufs Meer freuen. Und die, die die alten Chiringuitos liebten, werden sagen: „Schade, das war früher schöner, hatte viel mehr Charme…“ Aber auch sie werden ihr Glas Wein oder ihren Cocktail dort mit dem einmaligen Blick aufs türkisfarbene Meer genießen.
Ich mag ein Dinosaurier sein, aber mir tut es weh, wenn Stück für Stück das verschwindet, was Formentera so einzigartig gemacht hat. Auf Ibiza ist es nicht anders. Auch dort werden immer mehr urige Chringuitos aufgekauft und in teure Strand-Restaurants verwandelt. Die Zeiten, wo es noch nicht darum ging, möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen, werden angesichts immer mehr Luxus-Hotels und teuren Beachclubs nicht zurückkommen. Ich bin froh, dass ich sie erlebt habe. Und mir ist bewusst, dass Ibiza und Formentera auch weiter traumhafte Inseln sind, auf denen viele von Ihnen und ich trotz aller Veränderungen gerne lebe. Denn wo soll ich Schöneres finden? Die ganze Welt hat sich in Zeichen von Massen-Tourismus verändert…
Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sonntag und einen guten Start in die Woche, wo immer Sie sind.
Herzlichst, Ihr Dieter Abholte