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Ibiza-Stadt

Editorial von Dieter Abholt: Wie ich es sehe…

Liebe Leser,

Dieter Abholte

es ist der vierte Advent, in zwei Tagen ist Heiligabend – aber Weihnachtsstimmung kommt bei mir nicht auf. Ich glaube, vielen von Ihnen wird es ähnlich gehen. Ich denke an die schrecklichen Ereignisse in Magdeburg, wo ein offensichtlich geistig verwirrter Arzt für Psychiatrie mit arabischen Wurzeln sein Auto als Mordwaffen benutzte und durch den Weihnachtsmarkt raste. Fünf Menschen starben (ein fünfjähriger Junge und vier Frauen), dazu mussten rund 60 Opfer mit schweren und schwersten Verletzungen in die Krankenhäuser. Viele von ihnen werden nie mehr ganz gesund werden…

Die Motive des Täters und seine Gedanken sind vollkommen wirr: politisch der „afd“ nahe stehend und immer wieder vor dem Islam warnend („Es gibt keinen guten Islam“), mietet der 50-jährige Arzt einen schweren Geländewagen, um bei einem christlichen Fest wie Weihnachten Menschen zu töten. Dem Untersuchungsrichter, der jetzt Haftbefehl wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung erließ, nannte der Täter wohl als mögliches Motiv: die angeblich schlechte Behandlung von Flüchtlingen in Deutschland. Der Täter stürzte Menschen in den Tod und die Verzweiflung und das am höchsten Feiertag, in dem es um Liebe, Wärme und Verzeihen geht.

Ich denke an die Opfer und ihre Angehörigen, die zusammen Weihnachten feiern wollten. An den neunjährigen Jungen, der sich bestimmt schon auf seine Geschenke gefreut hat, an seine Eltern. Ich denke an die vier getöteten Frauen, die sich auf die Tage mit der Familie freuten. An die vielen Verletzten, die friedlich auf dem Weihnachtsmarkt ihren Glühwein trinken oder noch ein paar kleine Geschenke kaufen wollten und deren Lebensträume in Sekunden zerstört wurden.

Die Gedanken daran hinterlassen Hilflosigkeit und Verzweiflung. Und auch die Erkenntnis, dass es wirkliche Sicherheit nicht gibt – trotz hoher Polizeipräsenz, trotz massiver Bollwerke gegen Attentate mit Autos oder Lkw. Schon diese Sicherheitsvorkehrungen allein sind für mich ein unerträglicher Gedanke: Weihnachtsmärkte müssen mit schwer bewaffneter Polizei und Beton-Sperren gegen Attentate geschützt werden. Zu Weihnachten in einem friedlichen Land. Traurig und unfassbar. Was ist mit unserem Land passiert? Was mit der Welt?

Wie friedlich sind dagegen Ibiza und Formentera, unsere kleinen Inseln. Ich habe es vor drei oder vier Wochen in meinem Editorial geschrieben: Hier braucht man keine Angst zu haben, dass jemand einem beim Volksfest ein Messer in den Rücken rammt! Keine Angst zu haben, dass ein Täter sein Auto als Mordwerkzeug gegen unschuldige Menschen benutzt. Natürlich ist das keine Garantie, dass nicht einmal ein geistig verwirrter oder von Hass beherrschter Mensch zum Mörder wird. Aber bisher ist das nicht passiert. Ich hoffe, es bleibt auch so.

Und das liegt nicht zuletzt an der Struktur der Inseln, wo fast jeder jeden kennt. Wo die soziale Kontrolle greift, wenn bei einem Verwandten, einem Freund, einem Nachbarn unkontrolliertes Verhalten oder Aggression festgestellt wird. Da sagt man den Freunden und Bekannten vom Roten Kreuz oder der Polizei Bescheid, dass da vielleicht was nicht stimmt. Das ist der große Vorteil von Dörfern und kleinen Gemeinden.

Und dort ist es Erlebnis, am Heiligen Abend mit den Insel-Bewohnern die Mitternachtsmesse in der prächtig geschmückten Kathedrale in der Festungsstadt, aber auch in den kleinen Dorfkirchen zu erleben. Dabei ist es gleich, ob Sie Christ sind oder nicht. Sie erleben bei diesen Messen die Menschen der Insel in ihrer Frömmigkeit – aber auch ihre Lebensfreude nach dem Gottesdienst. Da wird sich vor der Kirche umarmt, wird geredet, gelacht. Und irgendwie – so geht es zumindest mir – spüre ich in den kleinen jahrhundertealten Kirchen mit ihren dicken Mauern auch einen Teil der Geschichte der Inseln.

Hierhin flohen die Insel-Bewohner im 17., 18. und auch noch im 19. Jahrhundert, wenn die gefürchteten Piraten – oft mit ganzen Flotten – auf der Insel anlandeten. Sie raubten die Vorräte der Bauern, durchkämmten die Häuser nach Wertaschen, nach Silbermünzen und dem goldenen Brautschmuck der Frauen, die meist in zugemauerten Nischen versteckt waren – und sie suchte nach Sklaven. Diese wurden dann auf den Märkten in Tunis oder Algier verkauft. In den Kirchen waren die Menschen sicher, sie waren Gotteshaus und bewaffnete Festung zugleich.

Zum Glück sind diese unsicheren Zeiten längst vorbei. Heute sind die kleinen Kirchen nur noch dazu da, zu dem sie gebaut wurden: Als Häuser, wo Menschen zusammenkommen – auch um gemeinsam Weihnachten zu feiern.

Wir bringen am Heiligen Abend hier auf IbizaHEUTE-Online eine Liste der Kirchen und der Gottesdienste zum Heiligen Abend, den Weihnachtstagen und Neujahr. Wenn Sie mögen, besuchen Sie eine dieser Messen. Sie werden die Seele Ibizas und ihrer Menschen spüren und erleben.

Ich wünsche Ihnen einen guten vierten Advent – am besten im Kreise der Menschen, die sie lieben. Weihnachten ist ein Fest der Familie, der Freunde. Und wenn Sie allein sind, vielleicht hilft Ihnen der Besuch einer Messe in den Kirchen der Insel ein wenig, um die Einsamkeit ein wenig zu vergessen, die gerade an Weihnachten besonders schmerzhaft ist,

Herzlichst, Ihr Dieter Abholte



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