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Ibiza-Stadt

Editorial von Dieter Abholte: Wie ich es sehe …

IbizaHEUTE schreibt über die schreckliche Katastrophe von Valencia und erinnert daran, dass dies auch auf Ibiza passieren könnte. Denn die Unwetter des „Gota Fria“ sind unberechenbar.

Liebe Leser,

Dieter Abholte

zurück von einer Traumreise mit Lesern auf dem wunderbaren historischen Luxus-Segler „Sea Cloud“ von Ibiza bis ins marokkanische Casablanca, wollte ich eigentlich über diese Reise schreiben. Aber das ist mir angesichts der Regen- und Flutkatastrophe auf dem spanischen Festland, vor allem in Valencia, unmöglich. Ich denke an die unfassbaren Bilder zusammengeschobener Autos, an die Bilder von Häusern, die weggerissen wurden oder in Wasser und Schlamm stehen – und an die schrecklichen Nachrichten der Toten und Vermissten. Da ist kein Platz für schöne Nachrichten.

Die Katastrophe in Valencia ist nicht einmal 170 Kilometer entfernt von uns – für ein Unwetter nur ein Klacks. Es hätte auch und treffen können. Mallorca hat die Ausläufer des „Gota fria“, des „Kalten Tropfens“ leicht abgeschwächt, aber auch mit Starkregen und Überschwemmungen, zu spüren bekommen – zum Glück, ohne, dass Menschenleben zu Schaden kamen.

Aber was im Umkreis von Valencia geschah, übersteigt meine grausamste Vorstellungskraft. Menschen, die in Autos oder in ihren Häusern ertrinken. Körper, die von den Wassermassen mitgerissen werden. Die Angst der Verwandten und Freunde um die immer noch Vermissten. Die zerstörte letzte Hoffnung, wenn geliebte Menschen von Rettungskräften nur tot geborgen werden können. Schrecklich und unvorstellbar grausam.

Dagegen die Bilder der großartigen Hilfsbereitschaft im ganzen Land – auch auf Ibiza, wo viele Verwandte und Freunde in Valencia haben. Beim Fest in Jesús steckten Kinder ihr Taschengeld in die Sparbüchse für die Opfer, statt Süßigkeiten zu kaufen. Hausgemeinschaften sammeln Kleidung und Decken für die, die alles in der Flut verloren. In Santa Eulària können morgen von 10 bis 14 Uhr Kleidung und Lebensmittel abgegeben werden, die dann sofort mit der Fähre dahin gehen, wo das alles dringend gebraucht wird.

Mich – und wohl auch viele von Ihnen – werden die Bilder berühren, wo Menschen, darunter viele junge Leute, mit Schaufeln und Besen jeden Tag viele Kilometer zu Fuß ins Katastrophengebiet gehen, um dort zu helfen. Bevor sie abends müde, zerschlagen und mit verdreckter Kleidung nach Hause gehen, um am nächsten Morgen wiederzukommen. Natürlich kann der Einzelne mit einer Schaufel und einem Besen nicht viel gegen Schlamm und Trümmern ausrichten – aber Tausende schon.

Diese Hilfsbereitschaft ist mehr als der körperliche Einsatz: Sie ist ein Versprechen und ein Bekenntnis: Wir sind für euch da, wir lassen euch nicht alleine in eurer Not. Wunderbar! Doch auf der anderen Seite, die unbegreiflichen Nachrichten, dass Polizei und Arme zerstörte Häuser vor Plünderern bewachen müssen, dass schon fast 100 Plünderer festgenommen wurden. Aber was sind 100 Verbrecher der gemeinsten Sorte gegen Tausende, die selbstlos helfen. Das Gute hat die gewaltige Mehrheit – und das ist gut so.

Kurz nach der Katastrophe werden die Stimmen nach den Schuldigen laut. Es sei zu spät gewarnt worden, heißt einer der Vorwürfe. Die Behörden weisen den Vorwurf zurück. Warnungen kamen früh genug. Auch wenn sie noch früher gekommen wären, wären sie ernst genommen worden? Hätte sich im Verhalten der Menschen etwas geändert? Ich denke, kaum! Wer rechnet schon mit solcher Gewalt von Wassermassen?

Und doch könnte Versagen von Behörden und Menschen daran schuld sein, dass es zu dieser Katastrophe kam. Aber das liegt in der Vergangenheit. Unwetter mit ungeheuren Regenmassen, die vom Himmel kommen, wenn eine Kaltluft in die feuchte Mittelmeerluft eindringt, kennen die Spanier seit Hunderten Jahren. Dafür gab und gibt es die Torrents, die trocknen Flussbette, die genau dafür da sind, die Wassermassen des „Gota fria“ von den höheren Gebieten zum Meer zu leiten.

Aber gibt es diese Torrents noch? Wurden nicht viele von Ihnen zugeschüttet und zum Land für Gemüse und Orangen gemacht? Wurde von der Behörde darauf geachtet, dass keine Häuser zu dicht an die Torrents gebaut wurden? Spielt da Korruption bei Bauvorhaben eine Rolle, die ja gerade in Valencia mit dem lukrativen gewaltigen Anbau von Gemüse und Obst nicht selten waren?

Doch diese Fragen sind zweitrangig. Erst einmal geht es darum, den Menschen in ihrer größten Not zu helfen. Und wir sollten uns vor Augen halten, dass der „Gota fria“ seine gewaltigen Wassermassen auch über unsere Inseln ausschütten könnte. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie viele Häuser von den bebauten Hügeln weggerissen würden. Wie viele Autos in überfluteten Straßen vom Wasser eingeschlossen würden. Wie hoch die Opferzahlen auch hier wären.

Wir haben Glück gehabt, Valencia nicht. Und wir sollten uns bewusst sein, dass wir achtgeben, damit die Torrents frei bleiben und Häuser an sicheren Orten gebaut werden. Da sind Politik und Verwaltung gefragt.

Mit diesen trüben Gedanken starte ich in den Sonntag und hoffe, dass es Ihnen allen gut geht. Passen Sie auf sich und die Menschen auf, die Sie lieben.

Herzlichst, Ihr Dieter Abholte



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