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Ibiza-Stadt

Editorial von Dieter Abholte: Wie ich es sehe …

Liebe Leser,

Dieter Abholte

am gestrigen Samstag feierte die Insel in Santa Eulària das große Fest der kleinen Fische, die „Fira des Gerret“. Schnauzenbrassen sind es, rund 20 Zentimeter lang. Zehntausende dieser Gerret werden mit traditionellen Fischerbooten angeliefert und mit einem Pferdekarren zum Rathausplatz gebracht. Der Pferdekarren ist das einzige Fahrzeug, das ins Zentrum des schmucken Ortes am Meer fahren konnte, denn ganz Santa Eulària war abgesperrt. Die Straßen gehörten den Menschen. Rund 30 Restaurants servierten die Fische auf den Ständen auf der Hauptstraße und der Promenade zum Meer hin: Gerret vom Grill, Gerret mit Reis, Gerret mit Kohl (traditionell), Gerret als Tapas …

Dazu überall Live-Musik, rund zehn Bands spielten auf den Straßen, der Promenade am Meer und auf den Terrassen der Restaurants, dazu noch Volkstanz und DJs – und Zehntausende Besucher. Eine riesige Party also. Wieder einmal wurde mir bewusst, wie oft und wie intensiv die Insel feiert. Das Fest der Fische war nicht die einzige Veranstaltung am Samstag. Mittags ging auch der Karnevalszug in der Inselhauptstadt. Gut, der war wegen schlechten Wetters am vergangenen Karnevalssamstag um eine Woche verschoben worden. Aber auch sonst war eine Menge los: Bauernmarkt „Mercat de Forada“, Hippiemarkt in Las Dalias, Live-Konzert in Can Jordi Blues Station, Kunstausstellung im Museum für moderne Kunst, Roller Disco-Party in Sant Josep, Taradeo-Party im Teatro Pereyra, Musical in der Messehalle und, und, und… Im Veranstaltungskalender auf unserer IbizaHEUTE-Online-Seite (www.ibiza-heute) zähle ich alleine für den vergangenen Samstag 17 Veranstaltungen. Eine Riesenzahl für eine kleine Insel, auf der man mit dem Auto kaum 30 Minuten benötigt, um von einer Ecke zur anderen zu kommen. Am heutigen Sonntag sind es acht Veranstaltungen, im gesamten Monat bisher 192 Eintragungen – und es werden noch etliche dazukommen. Denn unser Kalender „Events & Termine“ wird jeden Tag von meinen Kollegen in der Redaktion aktualisiert.

Und das Tolle bei solchen Festen: So gut wie jeder macht mit. Wolfgang Lettner und sein Team vom Casa Colonial rollten reichlich Bierfässer zu den Ständen. Die hatten mehr als 30 Restaurants schon am frühen Morgen aufgebaut und wurden vom jeweiligen Service immer wieder bestückt. Die Frauen, Männer und Kinder der Volkstanzgruppe traten auf, wobei man wissen muss, dass alleine das Ankleiden der Frauen und Mädchen in die kostbaren Kleider Stunden dauert. Zahlreiche Helfer sorgten dafür, dass alles reibungslos lief – ehrenamtlich, ohne dafür Geld zu bekommen. Natürlich saßen auch Bürgermeisterin Carmen Ferrer und ihre Kollegen vom Rathaus unter denen, die die kleinen Fische kosteten. Und eine Jury zur Prämierung der besten Gerret-Gerichte gab es auch. Das ist Ibiza jenseits von Riesen-Discos, Partys, Beach-Clubs und Schicki-Micki ­– das ist das wahre Ibiza.

Die Insel hat ihre Seele und ihre Identität bewahrt, so wie es seit Jahrhunderten ist. Daran werden auch der Massentourismus, teure Fünf-Sterne-Hotels, Luxus-Villen und die Milliardärs-Yachten nichts ändern. Die Ibizenkos schotten sich ab. Wir, die auf der Insel leben, wissen, wie schwer es für Ausländer ist, in ibizenkische Kreise aufgenommen zu werden. Kontakte mit persönlichen Besuchen in der Familie sind die große Ausnahme, und dazu braucht es oft Jahre.

Auch wenn man, wie wir, freundschaftliche Kontakte zu Insulanern hat, verabredet man sich fast immer zum Essen in einem Restaurant und nie zu Hause. Das ist so. Mein ibizenkischer Nachbar zeigt mir seine Freundschaft dadurch, dass er mir eine Kiste frisch geerntetem Gemüse vom Feld oder den Beutel mit eben gepflückten Apfelsinen vor die Tür stellt. Eine ganz, ganz große Ehre ist es für Deutsche oder andere Ausländer, die auf dem Land wohnen, wenn sie vom Bauern zum Matanza, zum Schlachtfest eingeladen werden und an der großen Tafel mit der Familie essen können.

Ein Ibizenko, einer aus der Politik, hat mir einmal gesagt: „Weißt du, Amigo, wir haben eine lange Geschichte. Wir haben die Römer überlebt, haben die Mauren überlebt, wir überleben auch den Massen-Tourismus. Natürlich freuen wir uns über das Geld, das die Touristen bringen. Für uns sind es auch gute Freunde, wenn Sie uns, unsere Geschichte und die Natur unserer Insel respektieren. Aber wir werden nie unsere Identität und Seele verkaufen.“

Ich finde, das sind gute Worte und bewahren uns davor, dass Ibiza durch den Tourismus seine Seele und seine Einzigartigkeit verliert. So bleibt, was wir an der Insel lieben: diese Einzigartigkeit von Geschichte, Tradition, Natur und liebenswürdigen Menschen. Das spürt und erlebt man am intensivsten jetzt im Frühjahr, wo der Massen-Tourismus des Sommers noch in weiter Ferne ist. Genießen wir diese schöne Zeit und feiern wir mit, wenn die Insel feiert…

Herzlichst, Ihr Dieter Abholte



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