Der Chefredakteur von IbizaHEUTE beschäftigt sich heute mit der Insel-Politik, die lieber Probleme verdrängt und Verschiebt, statt sie zu lösen. Der Grund: Man will auf die vielen Millionen nicht verzichten, die der Massentourismus Ibiza und Formentera bringen.
Liebe Leser,

erst einmal einen guten Morgen von der Insel. Der Sturm, der gestern heftig über Ibiza und Formentera fegte, ist vorbei. Es ist fast Windstille, dazu der blaue Himmel ohne Wolken, das glitzernde Meer und die weißen Häuser am Hafen, die in der Sonne leuchten – schönstes Ibiza zum Träumen und die Seele baumeln lassen. Was mich nervt, ist mal wieder die Zeitumstellung, die für mich noch nie Sinn gemacht hat. Aber das wird sich ja wohl auch in den kommenden Jahren nicht ändern, weil die Staaten Europas sich noch nicht einmal darauf einigen können, welche Zeit generell gelten soll – die vom Sommer oder die vom Winter. Welches Armutszeugnis!
Übermorgen ist der erste April und die Saison auf Ibiza und Formentera beginnt so langsam. Man spürt es schon an den voller werdenden Straßen und dem Ansteigen der Mieten, die kaum fassbar sind. Da werden Schrottbuden vergoldet, weil die Vermieter wissen, schon jetzt suchen Firmen im Bereich Tourismus krampfhaft Unterkünfte für Mitarbeiter vom Festland. Kellner, Köche und das Personal von Hotels und Restaurants benötigen Wohnungen. Und da zahlt man fest jeden Preis. Und es ist noch immer die Regel, dass die Wintermieter gekündigt werden, um die teuren Sommermieter in die Wohnung zu lassen. Dann sitzen nun mal die auf der Straße, die im Winter brav ihre Miete gezahlt haben. Problem nicht gelöst, Problem verschoben!
Auch das hat leider Tradition auf Ibiza und Formentera. Probleme werden nicht gelöst, sondern einfach verschoben. Der neueste Beschluss der Insel-Politik, wir haben ihn heute Morgen schon hier auf IbizaHEUTE-Online veröffentlicht: Die Parkplätze an den Salinen sollen drastisch verringert werden. Es sei nicht zumutbar, so die Politik, dass das Naturgebiet am Strand täglich mit bis zu 6.500 Fahrzeugen und 15.000 Besuchern belastet würde.
Im Prinzip ist das richtig und längst überfällig – aber keine Lösung des Problems, das mit dem Massentourismus verbunden ist. „Vertreibt“ man die Badegäste von den Salinen, fahren sie an die anderen Strände! Da werden Cala Comte, Cala Bassa, Platja den Bossa, Cala Salada und Co. eben noch voller werden. Denn auch in diesem Sommer werden fast vier Millionen Urlauber in die Flieger nach Ibiza steigen und die Natur und Umwelt belasten. Sie werden Wasser verbrauchen, das anderswo fehlt, Abwasser erzeugen, das die Kläranlagen überfordern. Sie werden Inselstraßen, Caminos und Parkplätze füllen, die romantische Plätze für den Sonnenuntergang in Rummelplätze verwandeln, in denen der Müll dann liegenbleibt…
Beispiel gefällig? Gerne! Denken wir an die Belastung der Steilküste gegenüber Es Vedrà zum Sonnenuntergang. Polizei und Anwohner versuchen, den abendlichen Andrang von Tausenden dadurch zu verhindern, dass sie massive Tore vor den Einfahrten machen und die illegalen Parkmöglichkeiten mit dicken Felsbrocken versperren. Na und, dann wird einfach auf der schmalen Straße geparkt. Dass dort bei Unfällen oder Waldbrand weder die Rettungswagen noch die Feuerwehr durchkommen, ist doch egal. Hauptsache, man feiert den Sonnenuntergang. Und wenn es wirklich mit Es Vedrà zu nervig wird, zieht man eine Bucht weiter. Da herrscht schon die große Angst der Anwohner, dass sie nächstes Opfer der Massen werden.
Bei der Verdrängung von Problemen übertreffen sich die Politiker und Gemeinden. Schlau, wie Schlange baut man eine Schranke über Parkplätze, damit dort die Wohnwagen und Wohnmobile nicht mehr einfahren können, ohne sich die Dächer aufzureißen. Die Folge: Dann stehen eben mehr Wohnwagen auf den Straßen und der Natur, wo sie garantiert mehr Schaden anrichten als auf einem Parkplatz. Noch ein Beispiel: Illegale Plätze, wo sich Menschen ohne Unterkunft – wohlgemerkt Menschen, die brav ihrem Job nachgehen, aber keine Wohnung finden – in ihrer Verzweiflung Zelte aufgebaut oder primitive Hütten aufgebaut haben, werden von der Polizei geräumt. Und was passiert dann? Die Menschen versuchen ihre Zelte irgendwo anders aufzubauen, vegetieren mit ihrer Familie und Rohbauten oder besetzen Wohnungen und Häuser.
Das alles sind keine Lösungen, sondern nur Verlagerung – und Verschlimmerung der Probleme. Die permanente Zusicherung der Politik, man unternehme etwas gegen den Massentourismus, wirkt zumindest zweifelhaft, wenn man auf so gut wie allen Tourismusmessen in Europa für den Urlaub auf Ibiza trommelt – und zu den bestehenden Clubs im Juni zusätzlich eine der größten Clubs der Welt eröffnet. Echte Maßnahmen sehen anders aus. Ich denke, wir müssen auch 2025 und in den weiteren Jahren mit dem Massentourismus und der Problemlösung á la Ibiza leben. Alles andere ist einfach unrealistisch. Je mehr Touristen kommen, desto mehr Millionen fließen in die Taschen der Insel-Unternehmen. Und letztlich zählt oft nur das.
Ich weiß, dass ich mich bei diesem Problem wiederhole. Und ich weiß auch, dass für mich und wahrscheinlich für fast alle, die wir Ibiza und Formentera lieben, die Inseln unser Ort der Sehnsucht sind und bleiben. Genießen wir die Inseln vor dem Ansturm der Touristen. Das Wetter ist einfach toll. Ich werde mich heute mit Freunden in einem Restaurant am Strand treffen, auf das glitzernde Meer schauen und die Seele baumeln lassen. Ich hoffe, Sie haben auch solch einen schönen Tag.