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Ibiza-Stadt

Editorial von Dieter Abholte: Wie ich es sehe…

Der Chefredakteur von IbizaHEUTE schreibt über schlechte Erfahrungen von Vermietern mit ihren Mietern, über die Gewerkschaftsforderung, die Mieten um 50 Prozent zu senken und über die Demonstration verzweifelter Wohnungssuchender.

Liebe Leser,

Dieter Abholte

erst einmal einen schönen guten Morgen. Wie angekündigt: Das Wetter ist heute eher durchwachsen. Aber das nur am Rande und zum wichtigen Thema. Am Samstag vor einer Woche demonstrierten spanienweit Zehntausende gegen eins der größten Probleme des Landes – gegen Wohnungsnot und zu hohe Mietpreise. Während es auf Mallorca tausende Menschen waren, die auf die Straße gingen, versammelten sich auf Ibiza nur etwa 300.

Weshalb nur 300 bei diesem brennenden Thema, das Tausende betrifft? „Es sind wenig Demonstranten, weil die Menschen Angst haben, dass sie von Vermietern oder Nachbarn erkannt werden und dann überhaupt keine Chance mehr haben, eine Wohnung zu bekommen.“ Das sagte Dani zu unserem Reporter Thomas Hofmann, der vor Ort war. Dani gehört zur Gewerkschaft „Sindicato de Inqulinas de Ibiza y Formentera“, die sich für die Rechte von Mietern einsetzt – ähnlich wie in Deutschland ein Mieterverein.

Dani von der Mieter-Gewerkschaft

Unser Reporter sprach auch mit den Demonstranten. Sie treibt Angst und Not dazu, mit ihren Protestschildern durch Ibiza zu ziehen. Es sind junge Menschen, die trotz eigentlich guter Jobs weiter im Elternhaus leben oder die Insel verlassen müssen, weil sie sich die Mieten nicht leisten können. Es sind ältere Menschen, deren Rente für eine menschengerechte Wohnung nicht reicht. Es sind Familien, die aus der Wohnung geschmissen wurden, weil sie „nur“ 1000 Euro Miete zahlen konnten, aber in der Saison die gleiche Wohnung – schwarz an Urlauber oder Saisonarbeiter vermietet – bis zu 5000 Euro bringt.

Dazu kommt laut einer aktuellen Statistik: 30 Prozent der Wohnungen auf Ibiza stehen leer. Und das ist mehr Wohnraum, als es Mietsuchende gibt. Rein statistisch würde es reichen, diese Wohnungen zu vermieten. Dann gäbe es keine Wohnungsnot mehr – und auch die Mietpreise würden fallen, weil Vermieter auf ihren teuren Wohnungen sitzen bleiben würden.

Erst einmal: Statistiken sagen nichts wirklich über eine wirkliche Situation und deren Hintergründe. Tatsache ist, dass viele Wohnungsbesitzer so üble Erfahrungen gemacht haben, dass sie lieber ihre Wohnungen leer stehen lassen, als sie zu vermieten. Ich weiß es aus zahlreichen Gesprächen mit Lesern, die vermietet haben – und es nie wieder machen werden.

Da werden Mieten nicht bezahlt und die Mieter müssen mühsam heraus geklagt werden.

Da werden Wohnungen so hinterlassen, dass Tausende von Euro für eine Renovierung auf den Vermieter zukommen.

Da werden Wohnungen ohne Wissen und Genehmigung des Vermieters an Touristen oder Saisonarbeiter schwarz teuer untervermietet.

Dazu gleich ein Beispiel. Ein Mieter lebte drei Jahre lang in der Wohnung eines Lesers. Die Kaution zahlte er erst gar nicht, die Miete verspätet oder gar nicht, den Strom über ein Jahr auch nicht. Nachbarn beschwerten sich, dass immer andere Menschen in der Wohnung lebten und so erheblichen Lärm machten, dass die Polizei mehrmals einschritt. Der Mieter erklärte: Die Fremden in der Wohnung seien Verwandte, die natürlich kostenlos seine Gäste sein.

 Er zog dann aus, weil der Vermieter einen Anwalt einschaltete. Zurück blieb eine vorher teuer renovierte Wohnung, bei der Schäden von über 1000 Euro repariert werden mussten. Zurück blieb eine Wohnung, wo selbst auf den Balkonen vergammelte Betten standen und davon zeugten, dass der Vermieter illegal die Räume an Urlauber oder Saisonarbeiter untervermietet hatte. Zurück blieben auch Miet- und Stromschulden von über 7000 Euro und einige hundert Euro Anwaltskosten. Dabei hatte der Vermieter noch „Glück“, dass der Mieter letztlich ausgezogen war. Denn eine Klage hätte noch einmal 5000 Euro an Anwalts- und Gerichtskosten verschlungen und mindestens ein halbes Jahr gedauert. Dann wäre der Schaden für den Vermieter mehr als 20.000 Euro teuer geworden.

Die Reaktion des Vermieters: „Ich lasse die Wohnung leer stehen oder verkaufe sie. Und wenn ich noch mal vermieten sollte, vermiete ich teuer, will drei Monatsmieten Kaution, die Miete fürs ganze Jahr im Voraus und ich vermiete nur noch jeweils ein Jahr.“ Der Grund für den letzten Punkt: Wenn ein Mieter über ein Jahr in der Wohnung wohnt, kann er fünf Jahre lang nicht gekündigt werden.

Genau diese Reaktion des Vermieters trifft „normale Mieter“. Die bekommen keine Wohnung, weil sie die hohe Kaution nicht aufbringen, die teure Miete nicht zahlen können – schon gar nicht ein Jahr im Voraus. Und so sind nun mal 30 Prozent der Wohnungen auf Ibiza nicht vermietet, sondern stehen leer.

Und da ist die Forderung der Mieter-Gewerkschaft auch nicht hilfreich, die bei der Demonstration forderte: Die Mieten müssen mindestens um 50 Prozent gekürzt werden! Mietverträge müssen unbefristet sein und dürfen nicht nach fünf Jahren auslaufen. Bei anderen Demonstrationen gingen die Forderungen noch weiter mit der Empfehlung, dass Mieter nach Ende des Mietvertrages einfach in der Wohnung bleiben sollten…

Sie sehen, liebe Leser, es ist ein komplexes Thema, für das ich keine Lösung sehe. Es sei denn, die Politiker würden endlich das ernsthaft anfassen, was sie seit vielen Jahren sträflich vernachlässigt haben: den Bau von bezahlbaren Wohnungen, für die sie kostenlos Bauland der Gemeinde zur Verfügung stellen sollten. Ohne bezahlbaren Wohnraum bluten die Inseln aus. Menschen, die hier aufgewachsen sind und denen eigentlich die Insel gehören sollen, müssen die Insel verlassen. Und viele verlassen die Insel jetzt schon…

Ich weiß, es ist kein schönes Thema, aber es gehört zur Pflicht eines Journalisten, dass er auf einer Sonneninsel auch die Schatten aufzeigt.

Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag, wo immer Sie auch sind und hoffe, dass die Politik dieses große Problem lösen kann.

Herzlichst, Ihr Dieter Abholte



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