Ibiza: Als „Paula’s“-Mode die Welt eroberte, Folge 2
Bunt, frech, sexy – das war die Ibiza-Mode von Paulas in den 1970ern. Ganz rechts mit dem Kopf im Bild ist Armin Heinemann, der die Hippiemode weltberühmt machte. Foto: aus dem Buch “Paula’s”
Dieter Abholte berichtet hier über die Insel in den 1960- und 1970er Jahren – von Ibizas wildester Zeit. Wo Hippies freie Liebe praktizierten, wo am Strand die Tüte mit Heu herumgereicht wurde, wo harmlos aussehende Plätzchen mit Haschisch aufgepeppt wurden. Es war aber auch die Zeit, in der die Ibiza-Mode entstand, die die Insel von Tokio über Paris und London bis New York zur Legende machte. Der größte davon war Armin Heinemann, dessen Geschichte wir am vergangenen Samstag mit der ersten Folge begonnen haben.

Prächtig, prächtig…Der Vorschlag von “Paula’s” für eine Hochzeit auf Ibiza. In der Mitte Super-Verkäufer Stuart. Foto: Paula’s
Modemacher Armin Heinemann und sein Partner Stuart eroberten in den 1970ern mit ihrer frechen, bunten, sexy Mode erst die Insel, dann die Welt. Und jede neue Kollektion wurde mit einer großen Party gefeiert. Und die waren legendär. Waren wild, voller Lebensfreude, frivol – eine nie wieder erreichte Mischung. Bühnenreife Events mit Orchestern, mit Ballett mit Spektakel, auch mit übergewichtigen Modellen und blanken Brüsten. Dazu eingeladen zu werden, war wie ein Ritterschlag. Es kamen Hippies und Promis, Filmschauspieler und Boxen-Tänzer aus dem Pacha, Operndivas und Sternchen der nicht ganz jugendfreien Filmen. Schulmädchen-Report hießen die Streifen damals…

Ein Foto wie aus der Zeit gefallen: Armin Heinemann (r.) und Stuart mit einem ihrer Lieblings-Models im Eingang ihrer Boutique “Paula’s”. Foto: Paulas
Die Liste der Namen würde den Bericht sprengen: Uschi Obermeier gehörte genauso zu den Paula’s Freunden wie Opernsänger René Kollo, spanischer Adel, Millionäre, weltbekannte Playboys und Konzernchefs. Und die Damen – manchmal auch die Herren – trugen natürlich Modelle von Paula’s. Antonia, seine Näherin der ersten Stunde, nähte weiter – aber jetzt mit rund 60 anderen Insel-Schneiderinnen. Aus der kleinen Ibiza-Boutique wurde ein internationales Mode-Label mit eigenen Boutiquen in Köln, Berlin, Amsterdam, New York, Los Angeles und, und, und…

Ein verrücktes Foto aus verrückter Hippie-Zeit: Ibiza in den 1970ern vor “Paula’s” Boutique in der Calle Virgen im Hafenviertel der Insel-Hauptstadt. So verkauften Stuart (turnt am Balkon) und Armin (rechte Bildhälfte mit Turban und Brille) ihre Mode. Foto: Paulas
Doch Armin Heinemann war nicht nur der Paradiesvogel, als den ihn die Modewelt feierte. Er brauchte mehr als Geld und Schlagzeilen. Er liebt das einfache Leben, den Umgang mit der Natur. Deshalb lebte und lebt er in zwei Welten. Nachts und bis mittags ist er in seiner Jahrhunderte alten Finca, in der es weder fließendes Wasser noch Elektrizität gibt. Die Dusche ist die Schöpfkelle aus dem Brunnenwasser. Toilette der Gang mit dem Spaten in die Landschaft, wie es in vergangenen Zeiten auf Ibiza fast überall war. Kein Radio, kein Fernsehen. Die Natur bestimmt den Lebens-Rhythmus. Mittags wechselt er von seiner Finca in seine große Wohnung in der Nähe Hafenpromenade, die er damals wie heute mit Partner Stuart bewohnt. Es sind Räume voller alter Gemälde, voller Kunst, voller Stoffe – wie das Reich eines Bohemes im Paris der 1920er Jahre.

Die beiden Modemacher in Indien – modisch wie immer. Foto: Paulas
Dazu zog es Armin jedes Jahr für Wochen oder Monate nach Indien, dem Ziel vieler auf dem Hippie-Trail der 1970er und 80er. Dort kam er in Kontakt mit dem Hinduismus, der seine Lebens-Philosophie wurde. Auch heute ist sein Tag auf der Finca bestimmt von Spiritualität: morgens eine Stunde für den Körper, eine Stunde für den Geist, eine Stunde für den Aufenthalt in der Natur. Dann erst fährt er vom Land in die Stadt, erledigt das Tagesgeschäft.
Doch kommen wir zurück in die Zeit der Modeerfolge, der Partys, der weltweiten eigenen Boutiquen, des bunten Lebens, des Erfolges. Jetzt war Armin Heinemann plötzlich da, wo er nie hinwollte. Fremdbestimmt von Terminen und Erfolgsdruck. Er erinnert sich: „Ich war nur noch unterwegs zwischen Stoffdruckerei, Boutiquen, Näherinnen dazu weltweit in meinen Boutiquen!“ Dann kam die Erkenntnis: „Du hast doch dein altes Leben nicht aufgegeben, um hier vom Erfolg aufgefressen zu werden! Ich bin auf die Insel gekommen, um frei zu sein – und nicht in der eigenen Sklaverei zu enden.“

Die neue Kollektion ist da – und wird von den Modemachern schrill in Szene gesetzt. Auch dieses Fotos stammt aus den 1970- oder 1980ern. Foto: Paulas
Der Erkenntnis folgte der Entschluss: Ich werde nur noch soviel Stoffe verarbeiten, wie ich auf einer Schulter tragen kann – das war genau ein Ballen. Wenn der verbraucht war, kam der Nächste per Flugzeug von der Seidendruckerei in Barcelona, keine 20 oder 30 wie vorher!“ Die Boutiquen in Europa und den USA wurden verkauft, es blieb nur noch „Paul’s Ibiza“ – bis ins Jahr 2000. Dann nahm Stuart, der geniale Verkäufer, dem keine Kundin entkam, seine rote Samtkordel für immer weg. Noch ein paar Jahre machten beide weiter Mode im kleinen Stil und nur für wenige Stammkundinnen in ihrer Büro-Wohnung in Nähe der berühmten Clubs „Pacha“.

Szene aus der Oper “Zauberflöte”, die Armin Heinemann und Stuart auf Ibiza aufführen ließen. Armins Aufführungen waren so besonders in Kostümen und Bühnenbild – und natürlich auch in künstlerischer Qualität, dass Opernfreunde ausser ganzen Welt anreisten: Foto: Bofill
Nach dem Ende von „Paula’s“ gab es eine dritte Karriere des Armin Heinemann. Er holte erst einmal nach, was er an Kunst auf Ibiza vermisst hatte: klassische Musik, Oper und Ballett. Er reiste nach Madrid, nach Barcelona, lernte dort berühmte Alicia Lonso kennen, die Primaballerina, Choreografin und Leiterin des kubanischen National-Balletts in Havanna. Sie holte Armin und Stuart nach Havanna, beauftragte sie mit dem Bühnenbild, den Kostümen für das „Ballet Nacional de Cuba“. Zwölf Jahre lang schufen Armin und Stuart Kostüme und Bühnenbilder. Stellten dann sogar eine eigene Opernaufführung auf die Bühne in Havanna. Danach brachte er die Oper nach Ibiza. Rund zehn Aufführungen gab es beim „Festival de Opera Ibiza“. Sie waren bunt, besonders und so berühmt, dass Opernfreunde aus aller Welt anreisten. Doch diese Geschichte würde diesen Bericht endgültig sprengen…

Die Wiedergeburt der Hippie-Mode von Ibizas beim Mode-Label “Loewe”. Stuart und Armin mit”Loewe”-Kreativ-Direktor Jonathan Anderson. Foto: Medienbüro Abholte
Bleiben wir bei der „Paula`s“-Mode. Sie war eigentlich Vergangenheit, nur noch ein Teil der Ibiza-Legenden – bis auf die Damen, die ihre Paulas-Modelle von damals auch heute noch wie ihre Schätze hüten. Bis 2017. Dann klingelte das Telefon. Armin Heinemann erzählt: „Da war wer von Mode-Label Loewe am Apparat und fragten, ob wir nicht gemeinsam etwas schaffen könnten. Ich fragte mich natürlich, was und wie? Wir, die wir eigentlich seit vielen Jahren keine Mode mehr machen – und dieser große Konzern.“
Die Antwort gab es nach dem ersten Treffen auf Ibiza. Dabei die PR-Chefin von Loewe und Jonathan Anderson, der Kreativ-Direktor des Luxus-Labels. Der hatte seine eigene Erinnerung an Ibiza und Paula’s. Die Eltern hatten auf der Insel ein Haus, und Jonathan Anderson erfuhr die besondere Magie der Insel, die Freiheit, die Verrücktheit, die Lebensfreude und die besondere Mode – eben die von Paula’s.

Die Legende “Paula’s” ist zurück: Die Stoffe der 1970er haben eine eigen Mode-Linie bei “Loewe”. Foto: Paulas
Schnell wurden sich der Armin Heinemann von Paula’s und der Kreativ-Direktor Jonathan Anderson Loewe einig: Armin liefert seine Muster der 70er und 80er Jahre. Loewe kümmert sich um alles andere: Design, Werbung und den weltweiten Vertrieb. Die erste Kollektion wurde auf Ibiza im Museum für moderne Kunst vorgestellt – zusammen mit den „alten“ Modellen, die Armin Heinemann in früher geschaffen hatten. Die neue Kollektion umfasste 32 Teile: von der Seidenbluse, über Röcke, Espradillos, Taschen, Schals – aber auch Swimm-Shorts, Badetücher, eine Hängematte. Die Materialien sind edel: Kalbsleder für die Espradillos. Seide für Kleider, Blusen. Schals. Bestes Leder für die bunten Taschen. Ibizas eroberte wieder die Welt der Mode und die Cover der großen Mode-Magazine…. Die Legende der von Armin Heinemann und seiner kleinen verrückten Boutique in der Calla Virgen Ibiza-Mode lebt weiter.

Hier fing alls in den 1970ern an: In der kleinen verrückte Boutique “Paula’s” im Hafenviertel von Ibiza-Stadt. Unter dem Paulen’s-Emblem die Macher: Designer Armin Heinemann (rechts mit Hut) und Partner Stuart (mit Motorrad). Foto: Helga Sittl