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Ibiza-Stadt

Ibiza: Editorial von Dieter Abholte: Wie ich es sehe…

Es geht um das Wetter, die längeren Tage im Süden – aber vor allem um die spanische Politik und einen Regierungs-Chef in Madrid, der mit allen Mitteln an der Macht bleiben will…

Dieter Abholte

Liebe Leser,

heute ist wieder ein Traumtag auf Ibiza und Formentera: blauer Himmel mit ein paar Schleierwolken, 24 Grad – nur der starke Wind nervt – und die Sonne geht erst kurz vor 18 Uhr unter.

Ich habe mir eben das Wetter meiner Heimatstadt Hamburg angesehen – furchtbar! Schmuddelwetter, 8 Grad Höchsttemperatur und ab 16.30 Uhr geht die Straßenbeleuchtung an. Da ist die Sonne weg, wenn sie dann mal scheinen würde. Aber sie scheint nicht. Fazit: Wir haben T-Shirt-Wetter und es ist fast anderthalb Stunden länger hell als zumindest im Norden Deutschlands. Also, eigentlich kein Grund zur Klage.

Über das Wetter nicht. Über die Politik schon eher. Da klaubt sich der linke spanische Minister-Präsident Spaniens Pedro Sánchez (PSOE, ähnlich wie die deutsche SPD) in allen Ecken des Parlamentes eine Mehrheit zusammen, um weitere Jahre an der Macht zu bleiben. Darunter ist dann auch die katalanische Partei von Carles Puigdemont, die 2017 Katalonien von Spanien abspalten wollte. Puigdemont ist von der Justiz wegen Landesverrat angeklagt und lebt in Belgien im Asyl. Ihm und seinen engsten Parteifreunden wird nun von den Sozialisten Amnestie zugesichert.

Hallo, geht es noch! Dem Politiker, der durch den Austritts Kataloniens Spanien als Nation schädigen oder gar zerschlagen wollte, wird jetzt von der Regierung Spaniens der rote Teppich ausgerollt. Und das nur, damit der linke Minister-Präsident Pedro Sánchez seine Macht behält.

Eigentlich hatte die konservative PP (ähnlich wie CDU) die Wahlen nicht nur in allen Provinzen und auch in ganz Spanien gewonnen, aber das reicht nicht für die Mehrheit im Parlament. So kann Sánchez von der PSOE seine Macht mithilfe von Splitter-Parteien erhalten und wird wohl in ein paar Tagen wieder zum Präsidenten gewählt.

Unruhen in Spanien, die jetzt schon wegen dieses – in meinen Augen miesen Spiels – mit gewalttätigen Demonstrationen toben, die nimmt man in Kauf. Auch die Spaltung des ganzen Landes. Hauptsache, man bleibt an der Macht. Da reicht man auch denen großzügig die Hand, die vorher als Landesverräter und Putschisten bezeichnet und auch verurteilt wurden. Man kann nachvollziehen, wie das so manchem Spanier aufstößt und das Wort „Betrug am Wähler“ wird immer mehr zum Argument – auch für Gewalt.

Gut, die spanische Demokratie ist nach Francos Tod 1975 noch recht jung. Gut auch, dass es die Freiheit gibt, Koalitionen einzugehen, um regierungsfähige Mehrheiten zu schaffen. Das ist in Deutschland bei der „Ampel“ nicht anders. Doch was in Spanien passiert, wo man erklärte „Staatsfeinde“ zum Erhalt der Macht willkommen heißt, ist für mich unbegreiflich. Spanien hat eine Menge Probleme vor der Brust, die eine Regierung leichter meistern kann, wenn sie die Mehrheit der Menschen des Landes hinter sich hat – und nicht ein gespaltenes Land. Vernunft und politische Verantwortung sehen anders aus. Muss nicht auch Pedro Sánchez bei der bevorstehenden Vereidigung schwören, dass er sich zum Wohl des ganzen Landes und der Menschen in Spanien einsetzt? Stören ihn die Demonstrationen nicht? Gut, die werden wohl von rechts gesteuert. Und dann hat man ja noch die Polizei, die mal wieder für die Politik buchstäblich den Kopf hinhalten muss.

Doch zurück zum Thema: Was benötigt Spanien? Ich bin kein Politiker, zum Glück nicht. Ich maße mir auf keinen Fall an, die Politiker meines Gastlandes belehren zu wollen. Aber mir seien doch ein paar Gedanken als Europäer und überzeugter Demokrat erlaubt. Wie wäre es mit einer Großen Koalition der größten Parteien, der linken PSOE (erreichte bei der Wahl 31,68 % der Stimmen) und der konservativen PP (33,06 Prozent)? Dann hätte man in Spanien die breite Mehrheit, bei der sich rund 65 Prozent der Menschen vertreten fühlten.

Aber solche Gedanken gab es wohl noch nicht einmal im Ansatz. Rechts und Links stehen sich unüberbrückbar gegenüber. Wie weit da die furchtbare und blutige Geschichte des spanischen Bürgerkrieges noch in den Köpfen mitspielt, weiß ich nicht …

Fest steht: Spanien geht politisch unruhigen Zeiten entgegen. Fest steht auch, dass Parteien vom äußeren linken und rechten Rand mit nur ein paar Wählerstimmen den großen Koalitions-Partner leicht erpressen und ihm die eigenen Ideologien aufzwingen können. Und es ist auch nicht ideal, dass die Zentralregierung in Madrid links regiert, das übrige Spanien einschließlich der Balearen mit Ibiza und Formentera aber konservativ regiert wird … Wir werden erleben, welchen Weg Spanien geht. Hoffentlich einen guten. Nur, mir fehlt der Glaube daran.

Es tut mir leid, dass ich Ihnen, liebe Leser, bei meinem heutigen Editorial solch schwere Kost zumute. Aber es bewegt mich sehr, was mit dem Land passiert, das viele von uns lieben und das ein Stück Heimat für uns ist.

Aber jetzt ist Schluss mit den trüben Gedanken. Genießen wir den blauen Himmel über Ibiza und Formentera. Genießen wir die Sonne und das Strandwetter. Und werden wir uns wieder einmal mehr bewusst, welches Glück wir haben, hier leben zu dürfen – und das gilt in erster Linie für die traumhafte Natur und die liebevollen Menschen. Leider nicht immer für die Politik. Aber das ist zurzeit auch in Deutschland nicht anders… Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag und einen guten Start in die Woche.

Herzlichst Ihr Dieter Abholte

Morgen wird sich meine Kollegin Clementine Kügler weiter mit diesem brisanten Thema hier in IbizaHEUTE-Online beschäftigen und Sie über die neuesten Entwicklungen informieren.

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