Wie bereits angekündigt, fand vom letzten Mittwoch bis Samstag die siebte Ausgabe der beliebten Klassikkonzertreihe „Ibiza Concerts“ statt. Von und mit dem international renommierten Violinisten Linus Roth. Er lud zu insgesamt vier exklusiven Konzertabenden ein, die teilweise wieder mit Tango und Flamencotanz kombiniert wurden. Austragungsort war die wunderschöne Open-Air-Location „Baluarte de Santa Llúcia“ im historischen Stadtteil Dalt Vila der Inselhauptstadt.
Unser Redakteur Thomas Hofmann hatte am Donnerstagabend die Gelegenheit, sich von Roths einzigartig virtuoser Spielweise auf seiner wertvollen Stradivari und begleitet von dem französischen Pianisten Julien Quentin in den Bann ziehen zu lassen.
Thema des Abends war „Das Geheimnis der Stradivari“ und es wurden u. a. Stücke von Béla Bartók, Karol Szymanowski, Igor Strawinsky und Johannes Brahms von den beiden auf höchstem Niveau interpretiert.
Nach dem Konzert hatte er noch die Gelegenheit, Linus Roth einige Fragen zu stellen.
Hallo Linus, erst einmal Gratulation zu dieser wundervollen Veranstaltung.
Wie kam es denn überhaupt zu dieser Verbindung mit Ibiza?
Vor ein paar Jahren habe ich in Darmstadt gespielt und da kam Margareta Kindsberger in mein Konzert und meinte zu mir, Sie müssen mal auf Ibiza konzertieren. Und ich dachte zuerst nur: „Wie auf Ibiza? Das kann doch nicht sein!“ Ich hatte nur Party und Diskotheken im Kopf, wenn ich Ibiza gehört habe. Und dann hat sie aber tatsächlich ein Benefizkonzert für die Krebshilfe hier auf Ibiza arrangiert. Und das war mein erstes Konzert auf Ibiza, das muss ca. 2010 gewesen sein und das hat sie dann dreimal in Folge gemacht. Ich kam dreimal nach Ibiza und das war immer super schön. Die Konzerte fanden in Santa Eulària im Kongresszentrum statt, mit Klavierbegleitung und mir als Violinisten.
Klassik auf Ibiza
Und dann hat sie eines Tages gesagt, jetzt schaffe sie es nicht mehr in der Hitze herumzulaufen, Poster aufzuhängen und so. Und dann dachte ich, das ist jetzt aber schade. Eigentlich habe ich jetzt gar keinen Grund mehr, nach Ibiza zu kommen. Als ich dann meine Partnerin kennengelernt habe, sagte sie mir in der ersten Woche: „Sorry, nächstes Wochenende sehen wir uns nicht, weil ich auf Ibiza mit meinen Freundinnen bin. Wir feiern da ein bisschen.“ Ich meinte dann, auf Ibiza, da habe ich auch schon klassische Konzerte gegeben und dann hat sie mich so ein bisschen ausgelacht. Sie hat gesagt: „Ach komm, auf Ibiza gibt es doch keine Klassik“. Ich dachte dann nur: „Na warte“. Und so kam die Idee zustande, dass ich mein Festival hier gründete. 2018 gab es dann zum ersten Mal Ibiza Conciertos.
Solidarische Konzerte
Okay, das hast du also dann selbst organisiert? Oder war das dann auch in Verbindung mit der Krebshilfe?
Ja, das habe ich dann komplett selbst organisiert, aber wir haben immer schon versucht, einen sozialen Aspekt zu fördern und ein Benefizkonzert für die Krebshilfe gemacht. Aber jetzt haben wir es anders gemacht. Das, was wir am besten können, ist, Musik zu machen. Und die Musik ist, was die Menschen berührt, auch Kraft geben und trösten kann, und deswegen gehen wir in Altersheime. Gestern haben wir dort gespielt und morgen (Freitag) sind wir im Krankenhaus Can Misses und spielen auf der Krebsstation, danach auf der Dialysestation. Einfach für die Patienten ein kleines Privatkonzert sozusagen und das wird unglaublich positiv aufgenommen, weil die Menschen, die dort liegen, etwas Hoffnung haben und dann die Livemusik hören. Das gibt uns auch unglaublich viel als Musiker. Diese Konzerte werden dann natürlich extern organisiert. Gestern hat zum Beispiel Emma Torres die Konzerte arrangiert. Also das kann ich natürlich nicht selbst machen, aber wenn jemand auf mich zukommt und sagt, könnten Sie nicht da spielen oder hier, dann machen wir das gern.
Das Publikum schätzt die Konzerte sehr
Aber mein längerfristiges Ziel, das ich für das Festival Ibiza Conciertos entwickelt habe, ist, Ibiza international als Kulturdestination bekannt zu machen. Das ist eigentlich mein Hauptziel. Denn sobald ich – egal ob Musikerkollegen – oder sonst jemand in Deutschland erzähle, dass ich ein Klassikfestival auf Ibiza veranstalte, dann wirst du immer noch komisch angesehen. Dann kommt prompt: „Ibiza ist doch nur Clubbing, Party und so weiter.“ Und ich sage: „Nein, es gibt hier eine Altstadt, die zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Und was gibt es Besseres, als genau in der Altstadt ein Festival zu machen.“
Die Gemeindeverwaltung von Ibiza nimmt das auch dankend an und unterstützt das Ganze, richtig?
Die Stadt Ibiza unterstützt das Festival ja, aber das Festival ist eine private Organisation.
Das heißt, du siehst auf jeden Fall das Potenzial, ein solches Festival längerfristig zu etablieren und auch das Publikum dafür?
Ja, auf jeden Fall, das Publikum ist ein sehr erlesenes, das unsere Konzerte sehr wertschätzt.
Professionelle Meister und Schüler
Ich denke auch, dass die Erwartung der Leute hier sehr hoch ist, was man z. B. auch immer beim Jazzfestival merkt.
Ja, die Erwartung ist sehr hoch und deswegen bringen wir auch die Crème de la Crème der internationalen Klassikmusik hierher. Der Pianist, mit dem ich heute gespielt habe, spielt normalerweise in der Berliner Philharmonie oder in der Stuttgarter Liederhalle.
Aber du lädst auch gelegentlich Schüler der Musikhochschule Escuela Reina Sofia ein, an der du eine Gastprofessur hast?
Ja, in den vergangenen zwei Jahren habe ich auch Studenten der meiner Meinung nach einzig wirklichen und mit Abstand besten privaten Musikhochschule Spaniens eingeladen, in diesem Jahr allerdings nicht.
Auch Flamenco und Tango
Auch dieses Jahr hast du wieder die Fusion mit Flamenco und neu mit Tango-Tanz im Programm?
Ja, das war vor zwei Jahren. Da hatten wir ein Stück, da dachte ich, da könnten wir jetzt mal eine Tänzerin dazuholen, die ein bisschen Flamenco macht, das würde hier reinpassen. Das kam durch Carmen Dominguez zustande, die Kulturamtsleiterin der Stadt Eivissa. Sie hat mir eine ibizenkische Flamencotänzerin vermittelt, die dann so toll getanzt und noch einen männlichen Tänzer mitgebracht hat, und es war ein solcher Riesenerfolg, dass wir das jetzt auf einen ganzen Abend ausgedehnt haben. Die Videos vom letzten Jahr sind mittlerweile auch ein so großer Erfolg, dass wir diese Formation jetzt auch exportieren, z.B. zum Rheingau Festival, eines der wichtigsten Festivals in Deutschland.
Ibiza als Experimentierlabor
Das heißt, ich exportiere Dinge von Ibiza, Dinge, die ich hier ausprobiere, wie Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, den größten Hit der Klassik. Vor zwei Jahren dachte ich, das muss ich hier auch mal machen. Aber dafür benötigt man normalerweise ein komplettes Orchester mit 20 Leuten, und die finanziellen Ressourcen dafür hatte ich nicht. Dann kam mir die Idee, mit einem Gitarristen das Stück umzurangieren für Gitarre und Violine. Das heißt, die Gitarre ersetzt das komplette Orchester. Eine verrückte Idee erst mal, aber es hat dann so super funktioniert, dass wir dieses Programm nicht nur hier schon zum dritten Mal spielen, sondern mittlerweile in ganz Europa. Ibiza ist also sozusagen mein musikalisches Experimentierlabor. Dinge, die ich hier ausprobiere, nehme ich mit auf meine internationalen Konzerte…
Stradivari von der Bank
Jetzt zu der wertvollen Stradivari, auf der du spielst, ein Leihstück der L-Bank Baden-Württemberg, wie kamst du zu diesem Privileg?
Das lief auf Empfehlung und vor 25 Jahren. Die L-Bank war die Bank, die Anne Sofie Mutter die erste Stradivari vorfinanziert hat. Als sie 14 Jahre alt war, hat Herbert von Karajan gesagt, dass sie jetzt eine Stradivari benötige.
Lothar Späth, der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat das dann initiiert. Da die Staatsbank ja laut Statuten kulturelle Ausgaben tätigen muss, hat sie für Anne Sofia Mutter eine Stradivari gekauft und diese ihr dann weiterverkauft.
Die Staatsbank hat gesehen, dass sie damit nicht nur die Kultur fördern kann, sondern aufgrund der Wertsteigerung der Instrumente ein Geschäftsmodell schafft. Sie hat daraufhin eine Instrumentensammlung kreiert. Die umfasst inzwischen mehr als 20 Instrumente. Und die Stradivari, mit der ich spiele, ist die Letzte, die sie vor 25 Jahren gekauft haben, und seither darf ich diese Geige spielen.

Instrument als Lehrmeister
Du hast schon während des Konzertes heute, welches unter dem Thema „Das Geheimnis der Stradivari“ stand, gesagt, dass mit der Stradivari alles möglich ist, das hängt nur von der Vorstellungskraft und Fähigkeit des Violinisten ab.
Ja, also ich vergleiche das immer mit der Formel 1. Ich habe zwar einen Führerschein und kann fahren, aber wenn ich mich in ein Formel-1-Auto setzte, werde ich nicht die schnellste Runde fahren. Es gibt dazu einen Witz eines berühmten, mittlerweile schon verstorbenen Geigers. Eine Frau kam zu ihm, als er die Geige schon im Kasten hatte, und sagte: „Das war solch ein tolles Konzert und ihre Geige klingt so toll.“ Dann hat er ihr den Geigenkasten ans Ohr gehalten und gesagt: „Komisch, ich höre gar nichts!“ Du kannst die beste Geige der Welt haben, aber wenn du nicht weißt, wo du sie kitzeln musst, dann kommt auch nichts Besonderes raus. Es ist eine Mischung aus der perfekten Geige und dem, der sie spielt. Eine Geige ist wie ein großer Lehrmeister, der dir immer wieder neue Klangspektren öffnet, und das ist das Besondere an der Stradivari.
Liebe zu Ibiza
Letzte Frage, was bedeutet dir Ibiza?
Ich liebe Ibiza und das Festival mache ich aus Liebe zu der Insel, ganz klar. Ich könnte auch auf Mykonos oder Capri ein Festival machen, aber ich liebe Ibiza. Die ultimative Begründung ist, dass es mein Lieblingsort ist. Ibiza hat eine unglaubliche Energie, die mich inspiriert. Ich habe hier die besten musikalischen Ideen und fühle mich hier am freiesten…



