Unser Chefredakteur berichtet über einen aktuellen und unglaublichem Fall von Hausbesetzungen auf Ibiza: Okupas besetzten ein Haus. Die Polizei rückte an, zuckte die Schultern und ließ die Hausbesetzer ungeschoren. Passiert vor wenigen Tagen in der Cala Vadella…
Liebe Leser,

ich bin mal wieder fassungslos. Und mal wieder dreht es sich um Okupas, um Hausbesetzer, und die Polizei, die nicht eingreift. Sei es, weil angeblich die rechtliche Grundlage fehlt, oder weil die Polizei einfach keine Lust hat, sich mit den Besetzern auseinanderzusetzen. Letzteres ist nicht zum ersten Mal mein Verdacht.
Nun zur Geschichte, die unglaublich – aber leider wahr ist: In Cala Vadella gibt es eine Anlage mit vier Reihenhäusern und einem gemeinsamen großen Grundstück mit Gartenanlage und Pool. Bisher herrschte dort Frieden. Doch das änderte sich am vergangenen Wochenende. Da stand plötzlich ein ziemlich heruntergekommenes Wohnmobil vor einem der Häuser, in dem ein paar Männer, zumindest zwei Frauen und zwei Hunde lebten.
Am nächsten Morgen war das Wohnmobil leer, dafür das letzte Haus in der Anlage voll – obwohl die Besitzer abwesend waren. Okupas hatten das Haus besetzt. Und das lief wohl so ab, wie immer: mit Gewalt einbrechen, die Türen aufbrechen und dann sagen: Wir wohnen jetzt hier.

Wie das geht – und wie sich Hausbesetzer dann vor Polizei-Aktionen schützen – steht auf den entsprechenden Internet-Seiten, deren Titel übersetzt lauten: „Wie besetze ich ein Haus?“ Oder: „Tipps zur Hausbesetzung und Verhalten gegenüber der Polizei“.

Das lief dann so ab: Die Besitzer der drei anderen Häuser riefen die Polizei wegen Einbruch und Hausbesetzung. Zuständig ist die Ortspolizei von Sant Josep. Die rückte auch mit acht Polizisten an, sprach mit den Anwohnern und auch mit den Okupas. Die Anwohner sagten, dass das Haus erst vor wenigen Stunden besetzt wurde. Die Okupas behaupteten. Wir wohnen schon länger hier!
Genau das ist der Trick: Die Regel besagt: Wenn Hausbesetzer innerhalb von 48 Stunden bei einer Besetzung erwischt werden, gilt es als Einbruch. Die Täter können als Einbrecher festgenommen und bestraft werden – meist werden sie das nicht, sondern mit ein paar mahnenden Worten des Richters freigelassen – und besetzen dann die nächste Wohnung oder das nächste Haus … das ist jetzt keine Ironie, sondern Tatsache.
Sind die Okupas aber länger als 48 Stunden im Haus, so gelten sie als Bewohner. Dann muss der Immobilienbesitzer vor Gericht Klage einreichen, beweisen, dass es sein Eigentum ist, und die Räumung verlangen. Bis es so weit ist, dauert es meist zwei Jahre. In dieser Zeit darf der Eigentümer sein Haus nicht betreten, sonst ist das Hausfriedensbruch und er wird bestraft. Er darf auch weder Strom noch Wasser abstellen, muss aber den Verbrauch der Hausbesetzer zahlen – auch wenn sie Tag und Nacht Lichter und die Klimaanlage anlassen oder den Pool neu befüllen.
Sie glauben jetzt an einen vorgezogenen Aprilscherz? Ist es nicht. Es ist spanisches Gesetz. Zurück zum besetzten Haus in der Cala Vadella. Zwar versicherten die übrigen Anwohner der drei Häuser, dass das Haus erst vor Stunden besetzt wurde, die Okupas aber behaupteten, dass sie schon länger dort wohnten. Und was machte die Polizei? Sie glaubte nicht den Anwohnern, zuckte die Schultern und sagten: „Sorry, da können wir nichts tun!“ Dann zogen sie ab und ließen die Besitzer der drei übrigen Häuser fassungslos zurück.
Nun kann mir da niemand einreden, dass die Polizei nicht hätte eingreifen können. Da gab es ja die Aussage der drei Eigentümer. Aber sie griff nicht ein. Ich denke, die hatten keine Lust darauf, sich mit den Hausbesetzern zu streiten oder auch mit körperlicher Gewalt das Haus zu räumen. Da ist es doch einfacher zu sagen: Das soll das Gericht klären …

Aber es kommt noch dicker. Als die Besitzer der drei anderen Häuser im gemeinsamen Garten waren, kam eine der Hausbesetzerinnen aus dem okkupierten Haus und verlangte: „Verschwindet von unserem Grundstück!“ Die drei Hausbesitzer ließen am nächsten Tag voller Panik ihr Eigentum mit Alarmanlegen und schweren Schlössern schützen, damit ihre Häuser nicht als Nächste besetzt würden – und sie ins Hotel ziehen müssten, wenn sie abends von der Arbeit kämen …
Ein Einzelfall? Nein, auch das nicht. Wir berichteten vor einigen Tagen hier auf IbizaHEUTE-Online, dass Hausbesetzer eine teure Wohnung an der Hafenpromenade besetzt hatten. Auch da griff die Polizei nicht ein. Der Immobilienbesitzer wurde die Okupas erst los, als er ihnen Geld dafür zahlte, dass sie seine Wohnung räumten. Die rieben sich die Hände und erklärten ohne Skrupel, dass sie die nächste Luxus-Immobilie besetzen würden. Sie sagten auch, wo: in der Villenanlage Roca Llisa. Mit besetzten Luxus-Wohnungen könnten sie das meiste Geld verdienen. Hausbesetzung als Geschäftsmodell…
Das kann es doch nicht geben, werden viele von ihnen jetzt sagen. Gibt es doch: Willkommen in Spanien! Zwar gibt es seit Juli 2018 ein Gesetz, wonach Okupas nicht erst nach zwei Jahren „schon“ nach 20 Tagen zur Räumung der Wohnung verurteilt werden könnten, aber das trifft nicht auf „Personen in prekärer Lage“ zu. Dazu gehören unter anderem: Mindestlohnbezieher, aus Erziehungsanstalten entlassene Volljährige, Drogenabhängige, Gefängnisinsassen oder ihre Familien…
Die darf mal also nicht per Schnell-Urteil aus der besetzten Wohnung klagen, sondern muss abwarten, bis das Gericht entscheidet. Und das dauert zurzeit rund zwei Jahre.
Übrigens: Die spanische Zentralregierung wurde mehrfach von den Gemeinden aufgefordert, Hausbesetzungen als Straftat und nicht als eher harmlose Ordnungswidrigkeit einzustufen. Aber Madrid weigert sich. Ich denke, eine Besetzung von Häusern ist für die verantwortlichen Politiker, billiger als Sozialwohnungen zu bauen. Und wenn es sich um das Wohneigentum von Ausländern handelt, umso besser. Denn die sind ja keine Wähler…
In diesem Sinne: Schützen Sie Ihr Apartment und Ihr Haus so, wie wir es in unserm IbizaHEUTE-Wintermagazin beschrieben haben: Gute Schlösser, massive Türen – und Alarmanlage. Denn wenn die losgeht, kann kein Hausbesetzer behaupten: Wir wohnen schon länger hier…
Ich wünsche Ihnen trotz dieses unerfreulichen Editorials einen schönen Sonntag und einen guten Start in die Osterwoche. Bleiben Sie gesund und schützen Sie Ihr Eigentum.
Herzlichst Ihr, Dieter Abholte



