Unser Chefredakteur schreibt über einen besonderen Abend – aber vor allem darüber, wie schnell sich Menschen in Ibiza und Formentera verlieben – eine Liebe, die viele nie mehr loslässt.
Liebe Leser,

gestern hatten wir unseren IbizaHEUTE-Feinschmecker-Treff im Casa Colonial, das ein echtes Gourmet-Erlebnis war, mit einem fantastischen Menü, mit ausgewählten Weinen und über 60 Gästen. Und die sind heute mein Thema. Zumindest die Gespräche mit ihnen. Immer wieder war ein Thema: „Wie bist du eigentlich nach Ibiza gekommen?“ Und: „Hast du schon mal überlegt, woanders hinzugehen? Vielleicht nach Mallorca oder auf die Kanaren?“
Um die letzte Frage gleich zu beantworten: Nein! Niemand wollte Ibiza mit Mallorca oder den Kanarischen Inseln tauschen. Obwohl die Flugverbindungen dorthin, besonders im Winter und der Nebensaison, um Welten besser und die Preise auch günstiger sind! Aber wie kommt man überhaupt nach Ibiza? Was bewegt einen, die Insel zu einem der Mittelpunkte seines Lebens zu machen – und sei es nur für ein paar Wochen? Bei mir am Tisch waren Thomas und Heike aus Wilhelmshaven an der Nordsee. Ibiza hatten sie nie auf der Rechnung: Hippie-Insel, Partys, Clubs, Drogen, Sex – all das, was immer wieder in den Schlagzeilen von Boulevardblättern und auf den Bildschirmen privater TV-Sender landen, die ihr Publikum genau mit diesen Themen locken wollen. Eben mit Sex und Partys. Das schraubt die Auflagen und Einschalt-Quoten nach oben. Und darum geht es heute bei einem großen Teil des Journalismus, der diesen Namen schon lange nicht mehr verdient hat.
Aber zurück zu Thomas und Heike. Sie suchten ein Boot – und da wurde eins auf Ibiza angeboten, genau das, was sie für die Nordsee suchten. „Also sind wir nach Ibiza geflogen, haben das Boot angeschaut, gekauft und wollten es zur Nordsee bringen“, erzählen sie. „Doch nach ein paar Törns um die Insel haben wir uns angeschaut und gedacht: Was sollen wir noch auf der Nordsee mit dem unsicheren Wetter? Hier sind wir doch im Paradies! Warmes, klares Meer, tolle Buchten, gute Restaurants, nette Menschen …“ Heute liegt ihr Boot nicht an der Nordsee, sondern sie haben Schiff und Haus auf Ibiza und kommen, sooft sie können, auf die Insel.
Wie war es bei Claudia und Seven, ein paar Tische weiter? „Ibiza? Da wollten wir nie hin, hatten nur die Klischees von Orgien und Co. im Kopf! Aber Freunde haben uns so lange mit Ibiza genervt, dass wir gesagt haben: Gut, wir machen da mit euch mal eine Woche Urlaub!“ Nach drei Tagen stand fest: „Hier wollen wir nie wieder weg!“ Jetzt haben sie eine Ferienwohnung auf der Insel und richten ihr Leben so aus, dass sie ihren Job (Computer-Branche) bald ganz von der Insel machen können.
Solche Gespräche gingen gestern Abend weiter: Eigentlich wollte so gut wie niemand anfangs wirklich nach Ibiza oder Formentera. Und doch blieben sie, bleiben sie der Insel treu und kommen von ihr nicht mehr los. Trotz allem, was auf der Ibiza und Formentera nicht mehr so ist, wie es sein sollte: Preise, die durch die Decken gehen! Teure Mieten! Unfassbar hohe Immobilienpreise! Der Massentourismus im August, wo viele Insulaner nur noch fliehen. Trotzdem muss es Ibiza oder Formentera sein. Wobei Ibiza vorn liegt …
Ich erinnere mich an Interviews mit dem Sänger Thomas Anders, mit Bruce Darnell, auch mit Menschen, die Milliarden-Vermögen haben und sich leicht das Luxushotel in Cannes oder die eigene Karibik-Insel leisten könnten. Da leben Sie nicht, sondern in ihrer – oft einfacher – Finca auf Ibiza.
Wie war es bei mir selbst? Ich kam als Reporter aus einem der blutigen Kriege Afrikas und mein Chefredakteur sagte: „Du hast so viel Kreis und Tod gesehen, spann mal aus. Nimm zwei Fotomodelle und einen Fotografen mit und mach mal schöne Urlaubs-Berichte: Capri, Sizilien – und da gibt es eine kleine Insel, wo ein paar nackte Hippies herumspringen“ – er meinte Ibiza.
Capri, Sizilien – 5-Sterne-Hotels-Luxus pur. Dann kam Ibiza: Feldflughafen, Gepäck musste man im Flugzeug selbst holen, wenn sich der Staub von der Landung verzogen hatte. Ein Taxi ohne Türen, ein eher primitives kleines Hotel in der Altstadt. Duschvorhang aus Plastik statt vergoldeter Wasserhähne. Einen Teller voll frisch gegrillter Gambas an einer primitiven Strandbude statt 6-Gänge-Menü und der Kellner im schwarzen Anzug. Ibiza, das war eine andere Welt – meine Welt.
Schon als ich aus dem Flieger stieg, der übrigens von einem Pfarrer gesegnet wurde, roch ich Ibiza: den Duft der Pinien, den Geruch des Meeres, diesen einmaligen würzigen Duft der Kräuter. Als ich endlich nach Stunden im primitiven Postamt eine Telefon-Verbindung nach Hamburg bekam, war mein erster Satz zu meiner Frau: „Ich habe unsere Insel gefunden. Hier möchte ich mal leben.“ Das war 1968. Drei Jahre später kamen wir mit einem kleinen Segelschiff hier an, verbrachten mit den Söhnen jeden Urlaub auf dem Meer und den Inseln – und Ibiza wurde zum Sehnsuchtsort. Und als ich dann im Jahr 2000 IbizaHEUTE übernahm, wurde die Insel zum Mittelpunkt meines Lebens. Meinen eigentlichen Traumjob als Weltreporter der großen Magazine tauschte ich gegen meine eigene kleine Zeitung ein, die ich dann mit meinem Team zum echten Magazin machte.
Glauben Sie mir, ich kenne die Schwachpunkte von Ibiza und Formentera. Ich betrachte auch die Entwicklung mit den kritischen Augen eines Journalisten. Und ich verschweige diese Probleme nicht und schreibe darüber – auch zum Ärger von Politikern und den Leuten, die mit dem für mich falschen Tourismus viel, viel Geld verdienen. Aber wenn Sie mich fragen: Weshalb gehst du nicht woanders hin oder verlegst dein Leben wieder mehr nach Hamburg, das ist doch eine tolle Stadt? Du wohnst direkt an der Elbe. Du hast die besten Restaurants, die besten Ärzte, du hast dort Freunde, hast ein riesiges Kulturangebot …
Da fällt mir nicht viel als Gegenargument ein, sondern nur der Satz: Ich liebe Ibiza und Formentera. So ist es nun mal mit einer großen Liebe. Sie ist einfach da, man kann und muss sie nicht erklären. Obwohl, wenn ich aufs Meer schaue, das Blau des Himmels sehe, am Strand in meinem Lieblingslokal bin, dann weiß ich, warum. Ich denke und hoffe, vielen von Ihnen wird es ähnlich gehen. Und wenn Sie länger nicht hier sein können, dann helfen wir mit IbizaHEUTE als Magazin und auf unseren Online-Seiten, dass Sie doch immer ein Stück hier sind. Genau deshalb mache ich meinen Job.
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sonntag, wo immer Sie sind.
Herzlichst, Ihr Dieter Abholte