Kostbares und knappes Ibiza-Brunnenwasser für ein Kreuzfahrtschiff mit 2500 Passagieren!
Während die Insel unter dem Mangel kostbaren Trinkwassers stöhnt, zeitweise Wasser abgestellt wird, sich die Ladung eines Wasserwagens um 300 Prozent verteuert hat, rollen vor der „MSC Orchestra“ die Wasserwagen vor…
Liebe Leser,

ich weiß, dass ich mir oft mit meinen Editorials bei Politik und Verantwortlichen keine Freunde mache. Aber das ist auch nicht die Aufgabe eines Journalisten. Denn der hat – eigentlich – auch die Aufgabe, Missstände aufzuzeichnen. Und das, worüber wir schon am 24. August berichtet haben, und was uns jetzt wieder bestätigt wurde, ist ein Missstand.
Unter dem Titel „Wassermangel auf Ibiza: Kreuzfahrer zapfen letzte Reserven an“ (Bericht) schrieben wir darüber, dass ein riesiges Kreuzfahrtschiff per Tankwagen mit bis zu 200 Tonnen kostbarem Brunnenwasser der Insel beliefert wird. Der Name des Schiffes wurde bisher verschwiegen. Es ist die „MSC Orchestra“ von MSC Cruising. In der Beschreibung des Schiffes steht im Internet: Kreuzfahrtschiff der gehobenen Klasse, mit 2500 Passagieren, rund 1000 Besatzungsmitgliedern und zahlreichen Einrichtungen für das angenehme Bordleben der Passagiere – und mehreren Pools.
Das Schiff hat mehrere Pools
Sarkastisch könnte man jetzt sagen: Damit die Passagiere in den Pools planschen können, werden 200 Tonnen Brunnenwasser von der Insel geliefert, deren Menschen extrem unter Wassermangel leiden. Aber so weit möchte ich gar nicht gehen. Nehmen wir an, das Wasser wird dafür benötigt, dass die Küche und Wäscherei des Kreuzfahrt-Riesen versorgt werden und dass die Passagiere duschen können, bleibt es für mich ein Skandal. Ein Skandal, den die Menschen der Insel kaum begreifen. Besonders die nicht, denen zeitweise das Wasser abgestellt wurde oder die das knappe Wasser teuer bezahlen müssen – mit bis zu 300 Prozent Aufschlag.
Moderne Kreuzfahrtschiffe haben Anlagen, mit denen sie selbst im Hafen Meerwasser in Trinkwasser umwandeln können. Ob das die „MSC Orchestra“ nicht hat, oder ob es billiger ist, Wasserwagen anrollen zu lassen, weiß ich nicht. Wie das aber bei den Menschen ankommt, hat mir eine Leserin geschrieben, die das fassungslos beobachtet und mit Fotos belegt hat. Sie schrieb:
Es ist ein unglaublicher Skandal, finden wir. Es ist Wasserknappheit auf der Insel und teuer dazu: Wir zahlen jetzt 2 1/2-mal mehr als letztes Jahr!!!! Seit heute Mittag liegt die „MSC Orchestra“ hier im Hafen, und es fährt ein Wasserwagen nach dem anderen zum Schiff. Wir haben bis heute Nachmittag schon zehn große Tankwagen gezählt, und der Tag ist noch nicht vorbei.

Brunnenwasser für die Bevölkerung – nicht für Kreuzfahrtschiffe
Bei unserem Bericht vor rund vier Wochen zitierten wir Juan Calvo, Präsident der Alianza por el Agua (Allianz des Wassers) mit seinen deutlichen Worten: „Brunnenwasser muss zur Deckung der privaten Bedürfnisse der Insel verwendet werden. Für andere Zwecke steht dieses Wasser nicht zur Verfügung.“ Juan Calvo weiter: „Und schon gar nicht für kommerzielle Kreuzfahrtschiffe. Wie solle einem Fincabewohner erklärt werden, dass er teils wochenlang auf seine Wasserlieferung zu warten habe, während Urlauber, die kaum einen Fuß auf die Insel setzten, bevorzugt bedient würden?“ Diese Sätze nenne ich klare Kante!
Auch die Balearenregierung in Palma fand klare Worte, als sie den Kollegen von „Dario de Ibiza“ auf Anfrage erklärte: „Die Wasserversorgung mit Tankwagen bedarf einer behördlichen Genehmigung und ist grundsätzlich für die Versorgung von privaten Haushalten gedacht. Die Belieferung von Kreuzfahrtschiffen ist in diesem Rahmen nicht vorgesehen und soll angesichts des Mangels an Grundwasser vermieden werden.“
Die zuständige balearische Hafenbehörde in Palma versteckt sich hinter dem Argument, dass man verpflichtet sei, Schiffen das lebenswichtige Wasser zu liefern.
Ja, Schiffen in Not. Aber die „MSC Orchestra“ ist kein Schiff, das im Sturm Ibiza als Schutzhafen anläuft. Für die Reederei ist Ibiza Teil ihres Geschäftes. Die Insel steht als Highlight fest auf dem Routenplan. Dafür zahlen die 2500 Passagiere viel Geld. Und der Reederei dürfte kaum verborgen bleiben, wie sehr Ibiza unter Wasserknappheit leidet. Egal, Hauptsache der Euro und die Tankwagen rollen…
Das sagt die Balearische Hafenbehörde
Die wegen der Wasserwagen attackierte Hafenbehörde schob den schwarzen Peter an die Inselregierung Ibizas weiter und verkündete, dass örtliche Behörden „bei Wasserkrisen Einschränkungen (gegen solche Wasserlieferungen) verhängen“ könnten. Und die damit zuständige Inselregierung Ibizas versicherte den Kollegen des „Dario de Ibiza“, die zuerst über diesen Skandal schrieben: Man werde den genauen Sachverhalt prüfen…
Das war vor rund vier Wochen. Inzwischen war die „MSC Orchestra“ wohl viermal auf Ibiza – und viermal rollten weiter die Tankwagen. Offensichtlich prüft man immer noch…
Was soll man dazu noch sagen? Offensichtlich scheut sich die Politik, hier Klartext zu reden. Natürlich bringen die gigantischen Passagierschiffe der Hafenbehörde Geld für die Liegeplätze. Natürlich ist die MSC-Reederei eine mächtige Firma mit reichlich Geld in der Kasse…
Mir kommt es so vor, als würde man darauf warten, bis die Kreuzfahrt-Saison vorbei ist und die Sache vergessen wird. Aber, wie wir sehen, gibt es aufmerksame Leser…
Und wieder einmal fällt mir auf, wie offensichtlich schlampig oder auf Gewinn schielend die Balearische Hafenbehörde gegenüber den Kreuzfahrt-Gesellschaften verhandelt hat. Es wäre doch ein Leichtes gewesen, nur Kreuzfahrt-Schiffen die Genehmigung zum Anlaufen von Ibiza zu geben, die garantieren, ihr Wasser selbst zu erzeugen…
Das ist aber nicht passiert. So wird auch die MSC Orchestra weiter auf Ibiza festmachen und es werden weiter die Tankwagen rollen und 150 bis 200 Tonnen kostbaren Brunnenwassers in die Tanks des Ozeanriesen pumpen. Wasser, das auf der Insel an allen Ecken und Enden fehlt.
Genießen Sie trotz meines Editorials den Sonntag und die Sonne. Denn ab heute Nacht könnte es kräftig regnen. Der spanische Wetterdienst warnt vor Gewittern, hohen Wellen und Starkregen. Ibiza und Formentera würde der Regen guttun.
Herzlichst, Ihr Dieter Abholte



