Vorweg ein paar Worte in eigener Sache. Wir zeigen hier nur einige der Fotos, die uns damals Tierfreunde und Praktikanten von Can Dog heimlich zuspielten. Diese Fotos sind grausam genug. Auf andere Fotos haben wir verzichtet, sie sind zu grausam, um sie zu zeigen. Roland Flier und wir mussten sie für diesen Bericht ansehen und sind nur noch erschüttert…
-
Das Skandal-Tierheim Can Dog wird geschlossen.
-
Alle Tiere werden zurückgenommen oder kommen anders unter.
-
Aufatmen in der deutschen Tierschützer-Community und bei allen Tierfreunden der Insel.
Von Roland Flier –
Roland war es, der 2023 den Skandal im Tierheim in IbizaHEUTE öffentlich machte. Ohne seine erschütternde Reportage, wäre wahrscheinlich bis heute nicht viel passiert. Hier sein Bericht mit der aktuellen Situation.
Als IbizaHEUTE vor zwei Jahren einen sechsseitigen Enthüllungsartikel über die skandalösen Zustände in dem Tierheim Can Dog in der Gemeinde San Joan veröffentlichte, stellten sich die Behörden noch stur. Sie ignorierten die Bitte um eine Stellungnahme für den Artikel und ließen alle Vorwürfe über Can Dog an sich abgleiten. Deutsche Tierschützer, vereint in der Facebook-Gruppe „Hilfe für die Hunde aus Can Dog“, übersetzten den Artikel ins Spanische, Englische und Niederländische, um für eine weitere Verbreitung zu sorgen. Die spanische Version landete auch im Briefkasten der Rathäuser von San Joan und Santa Eularia. Doch noch immer galt dort offenbar das Motto der drei Affen „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“. Es passierte nichts.
Oder vielleicht doch? Hinter den Kulissen soll es heftige Diskussionen und Vorwürfe gegeben haben, weil man auf die Anfrage von IbizaHEUTE nicht reagiert hatte und Can Dog wieder einmal – wie schön häufiger zuvor – negativ in die Schlagzeilen geraten war. Irgendwann würde man etwas tun müssen, dachte man an verantwortlicher Stelle. Und dieses irgendwann war jetzt.
Es gab damals schon mehr als genug Beweise für das Leid der Tiere
Die jahrelangen Vorwürfe richteten sich gegen den Besitzer der weitläufigen Anlage Pepe Aranda und seinen Umgang mit den Tieren. So berichteten Augenzeugen, hauptsächlich deutsche „Volunteers“, die dort freiwillig und unentgeltlich bei der Tierpflege halfen, dass Aranda neuankommende, widerspenstige Hunde mit einer Leine, die zu einer Schlinge gebunden war, aus den Autos der Hundefänger zerrte und sie über den Boden in die Zwinger schleifte, so dass sie fast dabei erstickt wären. In den Zwingern wartete ebenfalls nichts Gutes auf sie. Dreck, Exkremente, nackter Betonboden, kaputte, verrostete Gitterstäbe machten das Leben der Hunde zur Hölle.
Tiere als Geschäftsmodell und schlimmste Qualen
Zum Hintergrund: Das Geschäftsmodell des Can-Dog-Betreibers bestand aus drei Säulen: Erstens werden freilaufende Hunde, die von den Hundefängern eingefangen werden, nach Can Dog gebracht, wo Aranda sie mit Futter und Wasser so lange zu versorgen hat, bis sie einen neuen Besitzer finden bzw. der alte Besitzer sie abholt. Dafür bekam Aranda zwei Euro pro Tag und Hund. Die zweite Säule ist die Hundepension: Tierbesitzer, die verreisen müssen oder ihr Tier aus anderen Gründen vorübergehend unterbringen müssen, überlassen ihren Liebling gegen Geld dem Tierheim Can Dog – und damit einem ungewissen Schicksal. Und drittens züchtet Aranda auch Hunde, vor allem gewinnbringende, beliebte und häufig nachgefragte Rassen. Vorwurf der Tierschützer: Es gibt auf Ibiza schon viel zu viele Hunde, viele unkastriert und krank, da müssen nicht auch noch weitere zusätzlich „produziert“ werden.
Kein Wasser, kein Futter – leben im Dreck
Die Zustände in Can Dog waren tatsächlich unwürdig für jegliches Lebewesen. Wenn der Dreck in den Zwingern überhand nahm, spritzen Arandas Helfer mit dem dicken Schlauch alles raus, während die Tiere ( es gibt dort auch Katzen und Ziegen) drin blieben und anschließend über und über mit Exkrementen verdreckt waren. An Wochenenden, wenn die Helfer frei hatten, kam es vor, dass die Tiere von Freitagabend bis Montag früh kein Wasser und kein Futter bekamen. Oft rannten die Tiere aufgeregt bis panisch in ihren Käfigen herum, so dass sie Wasser- und Futtertröge umschmissen und sie somit hungern und dürsten mussten.
Er spielte allen eine Show vor – und kassierte
Bei unserem Besuch damals zeigte sich der inzwischen 82jährige Aranda von seiner besten Seite. Er präsentierte saubere Zwinger und glückliche Tiere, die freudig an ihm hochsprangen, wenn er den Käfig betrat. Aber das war nur die Schokoladenseite, berichteten die Volunteers. In einem abseits gelegenen Gebäude, von den Helfern als Guantanamo benannt, waren die „Problemfälle“ eingesperrt. Diesen Teil bekam kein Besucher zu Gesicht. Dort gab es auch Schläge und Tritte, so mancher Hund starb gar nach einer solchen Behandlung. Apropos Behandlung: Geld für Tierärzte war so gut wie nie da. Fast alle Hunde hatten die im Mittelmeerraum weit verbreitete Leishmaniose, mit der das unbehandelte Tier qualvoll dahinsiecht, bis es schließlich stirbt.
Tierschützer mussten Hunde freikaufen…
Den Tierarzt bekamen die Tiere nur dann zu sehen, wenn es den Tierschützern gelang, den einen oder anderen Hund „freizukaufen“. Aranda trieb die Preise so hoch es ging, und wenn man sich handelseinig war, kam das Tier in ein seriöses Tierheim wie etwa das von Deutschen betrieben D.U.O. bei Santa Gertrudis, oder es fand sich ein neuer Besitzer, der dem Hund ein lebenswertes Zuhause bieten konnte.
Auch im zweiten Geschäftsbereich gab es unglaubliche Vorfälle. So fand ein Hundebesitzer, der seinen Liebling bei Can Dog abgegeben hatte, weil er verreisen musste, sein armes Tier bei sich zu Hause wieder. Weil sein Flug storniert wurde, fuhr er nach Hause und fand seinen Hund vor der Türe an einen Baum gebunden vor. Was wäre mit ihm wohl passiert, wäre sein Herrchen tatsächlich geflogen?! Noch schlimmer erging es einem anderen Hundebesitzer, dessen Tier beim Abholen tot war. Es folgte ein langjähriger Prozess, der durch die ibizenkischen Medien ging und Can Dog weiter in Verruf brachte.
Praktikanten wurden eingeschüchtert und sollten schweigen
Diese und viele weitere grausame und teils kriminelle Vorfälle hatten die Volunteers damals unter Eides statt IbizaHEUTE geschildert. Manche von ihnen anonym, weil sie Angst vor Aranda hatten. Dessen alkohol- und drogensüchtige Söhne hatten die Volunteers oft eingeschüchtert, ja nichts nach draußen zu erzählen, und in einem Fall hatte einer von ihnen gar den Hund einer der freiwilligen Helferinnen überfahren. Auch dieses Leid der aufopferungsvollen Volunteers hat nun zum Glück ein Ende.
Wie aber konnte es sein, dass dem sadistischen Treiben des Tierheimbesitzers nie Einhalt geboten wurde? Wie konnte all das im Verborgenen bleiben? Auch das erklärten die freiwilligen Helfer: Der amtliche Tierarzt, der zu den regelmäßigen vorgeschriebenen Kontrollen kam, war ein Freund Arandas und drückte wohl immer alle Augen zu, Man begrüßte sich, trank einen Kaffee, dann gab es die obligatorische Unterschrift, dass alles in Ordnung war, und so verabschiedete man sich bis zum nächsten Mal. Den zuständigen Rathäusern war das immer genug, man fragte nicht nach und war froh, dass man mit Can Dog ein großes und angeblich funktionierendes Tierheim – und somit auch keine Probleme mit zu viel streunenden Hunden – hatte.
Endlich griffen jetzt die Behörden ein – sehr, sehr spät…
Doch nun war wohl das Fass übergelaufen. Obwohl durch unseren Artikel aufgeschreckt und stinkesauer auf die Enthüllungen, machte Aranda munter weiter im alten Trott. Was konnte ein Artikel in einem deutschen Magazin schon ausrichten? Doch als die Zustände immer schlimmer wurden und jetzt sogar tote Ratten in den Käfigen gefunden wurden, konnte der amtliche Veterinär wohl nicht mehr darüber hinwegsehen: Er verweigerte die Unterschrift. Der Inselrat ordnete daraufhin seit Juni dieses Jahres sechs Inspektionen an, bei denen die katastrophalen Zustände offenkundig wurden. Die örtlichen Medien griffen das Thema auf, veröffentlichten Fotos (die an Aussagekraft übrigens weit hinter denen im IH-Artikel zurückblieben), und jetzt endlich sahen sich die verantwortlichen Stellen gezwungen, Can Dog zu schließen.
Pepe Aranda hat jetzt eine Woche Zeit, sein 40jähriges Lebenswerk abzuwickeln. Die noch vorhandenen Tiere müssen zurückgegeben oder anderweitig untergebracht werden. Dies dürfte nicht so schwierig sein, denn nachdem es mit dem Ruf des Tierheims immer weiter bergab gegangen war, hatte kaum mehr ein Tierbesitzer seinen Liebling bei Can Dog in Pension gegeben. Und auch die eingefangenen Hunde sind von der Zahl her inzwischen überschaubar. Waren es in der Blütezeit mal bis zu 200 Tiere, sind jetzt gerade mal noch 30 Hunde dort untergebracht. Sie werden auf die „seriösen“ Tierheime auf der Insel aufgeteilt. Und bei der Gelegenheit soll hier auch gerne dazu aufgerufen werden, einen dieser Hunde zu adoptieren.
Tierschützer und Tierfreunde sind erleichtert
Große Erleichterung herrscht indessen in der gesamten Tierschützer-Community der Insel. In den sozialen Netzwerke wird der Beschluss des Inselrats positiv diskutiert, und gegenüber IbizaHEUTE freut sich – stellvertretend für die vielen deutschen Tierschützer und freiwilligen Helfer – Norbert Wolter. Der ehemalige Administrator der Gruppe „Hilfe für die Hunde aus Can Dog“ zeigt sich zufrieden und erleichtert, dass ihr jahrelanger Kampf endlich Erfolg hatte. Doch in seiner Freude schwingt – aufgrund seiner vieljährigen Erfahrung mit Can Dog und Pepe Aranda – auch etwas Skepsis mit: „Hoffentlich hält das auch. Aranda hat es immer wieder geschafft, den Laden wieder aufzumachen.“ Bleibt zu hoffen, dass seine Befürchtungen niemals eintreten – zum Wohl der gequälten Tiere von Can Dog.