Bei unserem Mittwochs-Report hier auf IbizaHEUTE-Online geht es um das Thema Fahrerflucht auf den Inseln und in ganz Spanien. Wundern Sie sich nicht darüber, was Sie gleich lesen werden – und da stimmt jedes Wort!
Es passierte uns auf dem Parkplatz im Yachthafen Botafoch Ibiza: Ein offensichtlich angetrunkener Autofahrer (Mercedes, spanisches Kennzeichen) beschädigte beim Ausparken zwei Autos und fuhr weiter. An der Schranke hielten wir ihn auf: „Sie haben eben zwei Autos beschädigt. Wollen Sie nicht anhalten?“
Seine Antwort: „Sind das deine Autos? Na also, was willst du? Kümmere dich um deinen Kram!“ Die Schranke ging hoch, er gab Gas. Wir schrieben Nummer und Auto-Typ auf, riefen die Polizei an. Die Antwort: „Wenn Sie Anzeige erstatten wollen, müssen Sie zu uns kommen. Wir verfolgen solche Sachen nur, wenn Anzeige wegen Sachbeschädigung vorliegt.“
„Unfallflucht, was ist das denn?“
„Und Unfallflucht?“, wollten wir wissen. Antwort des Polizisten am Telefon: „Unfallflucht, was ist das denn? Also, wenn Sie Anzeige erstatten wollen, gehen Sie zum nächsten Polizeirevier!“ Das ließen wir dann – und machten uns schlau.
Das Delikt Fahrerflucht, was in Deutschland so ernst genommen wird, dass selbst die unter die Scheibe geklemmte Adresse mit Telefonnummer oft nicht reicht – und bis zu drei Jahren Haft droht – gibt es in Spanien nicht. Übrigens, auch in keinem anderen Land Europas, nicht. Weder in Österreich noch in der Schweiz, sondern nur in Deutschland.
Dazu sagt Rechtsanwalt Dr. Armin Reichmann, der auf den Balearen (Palma) und in Frankfurt Anwaltskanzleien hat:
Ein sehr signifikantes Urteil des Tribunal Supremo (TS) des höchsten spanischen Gerichtes. vom 24. September 2012 macht deutlich, dass es in Spanien ein völlig anderes Selbstverständnis gibt, was derartige Delikte angeht. Bei dem zugrunde liegenden Fall war ein alkoholisierter Autofahrer in eine Menschenmenge hineingefahren und hatte mehrere Personen teils schwer verletzt. Er fuhr sofort weiter und wurde erst viel später festgenommen.
In erster Instanz war er wegen fahrlässiger Körperverletzung und Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung verurteilt worden, dazu auch wegen unterlassener Hilfeleistung. Von diesem letzteren Delikt wurde er in dem genannten höchstinstanzlichen Urteil aber freigesprochen. Es seien noch viele andere Personen an der Unfallstelle anwesend gewesen, sodass der Täter davon ausgehen durfte, dass schon irgendjemand anderes einen Krankenwagen rufen würde.
„Ein Mörder wartet auch nicht neben der Leiche, bis er festgenommen wird!“
Dieses Urteil war Anlass einer interessanten Diskussion darüber, ob es in Spanien ein eigenständiges „Fluchtdelikt“ gäbe. Dies wurde im Ergebnis eindeutig verneint. Es entspreche nicht dem gesunden Menschenverstand, so die Analyse des obersten Gerichtes wörtlich übersetzt, dass ein Mörder neben der Leiche warten müsse, um festgenommen zu werden. Es gäbe hinreichende andere Tatbestände, insbesondere Widerstand gegen die Staatsgewalt, durch die ein pflichtwidriges Verhalten unter Strafe gestellt würde. Bestraft wird ein Täter also nicht, weil er flieht, sondern, wenn er sich bei der Festnahme wehren sollte …
Aus Angst um die Rache der Familie überfahrenes kleines Mädchen liegen gelassen
Geradezu gespenstisch mutet ein Urteil des obersten spanischen Gerichtes vom 15. März 2007 an: Ein Fahrer hatte in einer Roma-Siedlung in Andalusien ein kleines Mädchen angefahren und war weitergefahren, ohne anzuhalten. Das Mädchen starb im Krankenhaus an ihren schweren Verletzungen. Der Fahrer wurde „nur“ wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, nicht aber wegen unterlassener Hilfeleistung. Denn, so das Urteil, er hätte sich sicherlich selbst in große Gefahr vor der Rache der Roma-Familie begeben, wenn er angehalten hätte. Eine unterlassene Hilfeleistung läge aber dann nicht vor, wenn diese Hilfeleistung mit der Eingehung eigener Risiken verbunden wäre. Wenn er also die Rache der Roma-Familie befürchten musste.
Ein ziemlich mildes Urteil für 19 Verletzte unter Alkohol am Steuer
Übrigens, der Fahrer in dem eingangs geschilderten Ausgangsfall, der 19 Personen zum Teil schwer verletzte, wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt, nicht aber wegen Fahrerflucht, deswegen wird in Spanien niemand verurteilt.
Niemand wird in Spanien wegen Fahrerflucht bestraft!
Was bedeutet das, wenn Sie auf den Parkplatz kommen und Ihr Wagen wurde von einem anderen Parker beschädigt und der ist einfach weggefahren? Wegen Fahrerflucht kann er nicht bestraft werden, wegen Sachbeschädigung schon, wenn sich jemand die Nummer gemerkt hätte – und dann den „Täter“ bei der Polizei persönlich angezeigt hätte. Aber, davon können Sie ausgehen, den Stress nimmt keiner auf sich. Ihnen bleibt also nur der Ärger über die weitere Delle im Kotflügel und im Kopf der Gedanke, was sie machen, wenn Sie beim Parken ein anderes Auto beschädigen? Fahrerflucht ist es nicht, wenn Sie einfach wegfahren, denn die gibt es in Spanien nicht …